Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
Staubgefäße ragten. Doch etwas stimmte nicht. Es gelang ihm nicht in seinem Gedächtnis die Erinnerung an den Duft zu erhaschen. Die Empfindung wurde von etwas überlagert, das sich nicht greifen ließ.
    Die zirpende Stimme eines Technikers, die vom anderen Ende der Welt zu kommen schien, riss ihn aus seinen Gedanken und verkündete triumphierend, dass man ihre Masse exakt bestimmt habe. Sie betrage auf ein hunderttausendstel Pond genau 5,38972833244 Tonnen.
    Jerome deutete nach unten, wo das Campingklo stand.
    »Goldjungs, unsere Leute von der NASA.« Er packte ein Sandwich aus und biss hinein. »Es geht nichts verloren. Geschlossenes System.«
    Radio Palermo sendete Abendprogramm, aber Sizilien schien weiter entfernt als der Pluto. Das Zirpen wurde immer unidentifizierbarer, sank zu einem Geräuschbrei zusammen und wurde schließlich zur Qual. Das Rauschen, verursacht durch die steigende Energie des künstlichen Gravitationsfeldes wurde härter. Es klang, als regneten tonnenweise winzige Stahlkugeln auf eine Betonfläche.
    Jerome legte sich auf den Rücksitz der Katze , und Steve kletterte wieder ins Cockpit hinauf und döste. Ein paar Mal schreckte er auf, als er ein Geräusch hörte, als würde quadratmeterweise Stahlblech zerknüllt und mit einem Ruck zerrissen. Die Spannung zwischen dem künstlichen Schwerefeld und dem der Erde wuchs. Die das Feld tragende Materie des Käfigs wurde bis in den subatomaren Bereich hinein beansprucht, bis sich die Energieblase mit ihrer eingeschlossenen Masse nicht mehr im normalen Raum-Zeit-Kontinuum halten konnte.
    Mit einem Mal fiel Steve auf, was ihn schon seit geraumer Zeit störte, ein süßlicher aromatischer Duft wie von Vanille oder Zimt, der immer intensiver wurde. Er erinnerte sich, während der theoretischen Ausbildung davon gehört zu haben: eine rätselhafte Begleiterscheinung des Kafu-Feldes. Schon die ersten Gruppen, die in die Vergangenheit geschickt worden waren, hatten kurz vor dem Ausklinken davon berichtet.
    Um Mitternacht meldete sich noch einmal der Erste Offizier. Seine Stimme schien aus einer anderen Galaxis zu kommen. Er zirpte, dass alles in Ordnung sei und der Countdown planmäßig verlaufe. Calahan und Olsen waren bei ihm, aber ihre Stimmen waren kaum noch zu identifizieren. Sie wünschten »guten Fall«.
    »Euch auch«, rief Steve ins Mikrofon. Doch sie schienen ihn nicht zu verstehen, denn eine von Störungen zermalmte Stimme fragte: »Sind die wirklich noch da?«
    »Sag ihnen, sie sollen was zu trinken mitbringen«, rief Jerome aus dem Laderaum herauf. »Damit wir unser Wiedersehen feiern können. Wir werden inzwischen ein gemütliches Fleckchen dafür suchen.«
    Kurz darauf brach der Funkkontakt ab. Stille breitete sich aus, der süßliche Zimtgeruch wurde intensiver und die Temperatur begann merklich anzusteigen. Eine Weile später trat ein Phänomen auf, das Steve als Astronaut nur zu gut kannte: ein unregelmäßiges Flattern der Schwere, als ob ein Raketentriebwerk nicht ganz einwandfrei funktioniere. Die vom Chronotron erzeugte Energieblase begann zu beben. Die kritische Feldstärke musste bald erreicht sein.
    Jerome machte alle Luken dicht und kam ins Cockpit geklettert. Sie checkten gemeinsam die Geräte; alles funktionierte einwandfrei. Sie schlossen die Kanzel, schnallten sich an, löschten die Scheinwerfer und warteten.
    Die Temperatur stieg weiter. Sie begannen zu schwitzen und bliesen sich Sauerstoff ins Gesicht. Die Wände des Käfigs schienen allmählich tiefrot zu glühen. Schwer atmend kämpfte Steve einen neuerlichen Anfall von Platzangst nieder. Am Rand seines Blickfeldes tauchten farbige Lichtmuster auf. Er dachte einen Moment lang, sie wären schon durch und sähen die Sterne, doch als er den Kopf hob, erblickte er nur die verzerrten Reflexe des Instrumentenbords auf dem Plastikglas der Kanzel über sich und dahinter einen diffusen Schimmer.
    In der Ferne wurde ein Dröhnen vernehmbar, das sich rasch näherte und mit seiner Vibration den Käfig zu sprengen drohte.
    »Ich glaube, jetzt ist es so weit!«, rief Jerome hinter ihm.
    Das Dröhnen wuchs. Kurze ruckende Perioden von Schwere und Schwerelosigkeit folgten aufeinander wie das Hämmern eines Widders, der gegen den Druck des auf ihn einströmenden Wassers ankämpft. Die künstliche Gravitationsblase zerrte - riss sich los.
    Jesus Christus!, dachte Steve.
    Und wieder barst das Herz des Wals.
    Ein Augenblick der Benommenheit.
    Und sie fielen.
    … fielen durch blutigen Rauch

Weitere Kostenlose Bücher