Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke

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gelandet seid, ist radioaktiv verseucht. Ihr habt keine Chance. In drei bis vier Stunden seid ihr erledigt. Meldet euch, damit wir euch so schnell wie möglich rausholen können. Es geht um jede Minute, wenn ihr nicht sterben wollt.«
    »Seid vernünftig«, fuhr eine andere Stimme fort. »Ihr habt keine Chance. Ein Unternehmen Westsenke gibt es nicht, hat es nie gegeben. Wir haben euren Vorgängern ein Ultimatum gestellt. Ein paar Hitzköpfe haben tatsächlich geglaubt, sich darüber hinwegsetzen zu können. Sie sind längst tot. Wir haben die Straße von Gibraltar gesprengt. Das Wasser steigt. Eure abgeworfenen Vorräte liegen auf dem Meeresgrund. Ihr seid abgeschnitten und ohne Nachschub. Meldet euch. Wir holen euch raus.«
    »Lasst euch zu keiner Entgegnung hinreißen!«, schrie eine Stimme dazwischen. »Sie orten euch in Sekundenschnelle.«
    »Man hat euch verschaukelt. Keiner von euch wird in die Zukunft zurückkehren.«
    »Die wollen euch demoralisieren. Geht nicht darauf ein. Glaubt ihnen kein Wort.«
    »Wer sind die ?«, fragte Jerome.
    Steve zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich haben die Scheichs doch weniger fest geschlafen als unsere Navy wahrhaben wollte.«
    Der Propagandasender schwieg. Die entferntere Stimme gab Anweisungen. »Entladet vor Tagesanbruch und fahrt los, wenn es das Licht erlaubt. Keine Scheinwerfer. Fahrt in nördlicher, dann in nordöstlicher Richtung. So rasch wie möglich. Nützt jede Deckung aus. Achtet auf frische Kamelspuren. Wenn ihr einem berittenen Trupp begegnet, eröffnet ohne Warnung das Feuer. Die Banditen haben es auf eure Ladung abgesehen. Wir holen euch raus, sobald es uns möglich ist. Bleibt auf Empfang. Ende.«
    »Weißt du, wie Kamelspuren aussehen?«, fragte Jerome.
    »Keine Ahnung. Wusste nicht, dass es um diese Zeit hier Kamele gibt.«
    »Die werden sie mitgebracht haben. Gute Idee. Keine Treibstoffprobleme.«
    »Es sind also Araber.«
    »Höchstwahrscheinlich. Und sie müssen verdammt gut sein, wenn sie unsere Leute so lahm legen können, dass sie außerstande sind das Landegebiet zu sichern.«
    Aus Nordwesten, wo das Geschoss eingeschlagen hatte, war nun ein protestierendes Trompeten zu vernehmen. Mastodonten? Aufgeschreckte Vögel kreischten. Dann kehrte wieder Ruhe ein.
    Steve starrte hinauf ins Sternengestöber, vermochte aber keine vertraute Konstellation zu entdecken. Also waren sie tatsächlich weit in der Vergangenheit gelandet, hatten einen Zeitraum überbrückt, in dem das Licht den Abgrund zwischen Galaxien durchmisst. Die Sonne hatte noch mehr als viertausend Lichtjahre auf ihrer Bahn ums Zentrum der Milchstraße vor sich, bevor die ersten Pyramiden entstanden.
    Da sie am nächsten Tag eine anstrengende Fahrt vor sich hatten, versuchten sie abwechselnd ein bisschen zu schlafen, aber es wurde nicht viel daraus.

Die Schädelstätte
    Steve übernahm die erste Wache. Die Venus stand strahlend hell am Westhimmel und sank langsam dem Horizont zu. Eine zerbrechlich dünne Mondsichel schien ihr entgegenzuschweben wie eine gläserne Barke. Als er nach Süden blickte, sah er dicht über den afrikanischen Gebirgszügen einen Kometen. Sein starr nach Osten weisender Schweif wirkte wie der stiebende Funkenregen einer geblasenen Esse. Es war ein fremdartiger, bedrohlicher Himmel, der sich ihnen darbot, der Himmel einer Welt, die noch nicht für den Menschen eingerichtet war, ein Himmel, der noch die wirren Konstellationen einer unfertigen Schöpfung zeigte. Und doch überkam ihn allmählich das Gefühl für die Wirklichkeit dieser Welt, für ihre sinnliche Substanz. Sie nahm Gestalt an, war nicht länger abstrakte Vergangenheit, sondern wurde zum Jetzt, zur Gegenwart, die sich atmen, schmecken und greifen ließ. Es war, als öffne sich eine Pore am gewaltigen Leib der Zeit, und er dringe ein wie eine Mikrobe, werde vom Lebensstrom, den er an anderer Stelle verlassen hatte, wieder aufgenommen und mitgerissen in Richtung Zukunft, in der irgendwo seine einstige Gegenwart lag wie eine ferne Galaxis, durch Äonen von ihm getrennt, wie eine Insel, an deren Ufer man sich erinnert.
    Ein Geräusch schreckte ihn aus seinen Gedanken. Äste knackten, dann war ein Schnauben zu hören, wie von einem großen Tier. Irgendein Ungeheuer brach ganz in der Nähe durchs Dickicht. Steve entsicherte die Maschinenpistole und kam sich plötzlich recht kläglich bewaffnet vor. War es ein Saurier? Unsinn. Um einer Großechse zu begegnen, hätten sie zehnmal so weit in die Vergangenheit