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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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der mit seinem abstehenden dichten Kraushaar aussah, als hätte er ein großes, von Webervögeln geflochtenes Nest auf dem Kopf, hob die frisch verbundene Schulter.
    »Sie haben ein rätselhaftes Verhältnis zueinander. Die Boisei wittern die Knirpse normalerweise auf eine Meile Entfernung und machen sich buchstäblich nass vor Angst. Sie sind nicht zu halten. Und sperrt man sie ein, werden sie verrückt und geraten in Raserei vor Panik. Die Knirpse weiden sich an dieser Angst, überlisten sie mit ihren Tricks, denn weitaus schlauer sind sie ja, und quälen diese harmlosen Tölpel grausam zu Tode. Dann fressen sie sie auf, wie sie es oft mit ihren Gegnern machen. Aber ich habe auch schon gesehen, dass sie Boisei feierlich aufbahrten, mit Blumen bestreuten und Steine darüber häuften, wie sie es nur mit ihren beliebtesten Stammesführern tun. In den Bergen bei uns gibt es einige dieser Grabplätze. Irgendwie scheinen die Knirpse sie bei allem Hass zu verehren. Sie spüren, dass sie näher mit ihnen verwandt sind als mit allen anderen Lebewesen, dass sie ihre Vorfahren sind, und gleichzeitig fühlen sie das Ungenügen, das mangelnde Überlebensvermögen. Das scheint sie besonders herauszufordern. Und die liebenswerten Tölpel haben gegen die gerissenen Teufel nicht die geringste Chance, obwohl sie ihnen an Körperkraft überlegen sind. Sie tappen in jede Falle, die ihnen gestellt wird, rennen in jedes Messer, das die Kleinen bereithalten. Eines Tages werden sie die Boisei verdrängt und ausgerottet haben. Wir haben alles Mögliche unternommen ihnen den Rücken zu stärken und ihnen mehr Selbstachtung zu geben, aber mit einem Knirps konfrontiert, versagen sie völlig. Das scheint ihr Schicksal zu sein. Vielleicht ist es ihre Ernährung. Ziemlich sicher sogar. Sie essen kein Fleisch, haben eine fast heilige Scheu davor.«
    »Daraus hätte sich das Menschengeschlecht nicht entwickeln können«, sagte Steve. »Dazu bedurfte es des Killeraffen, kaltblütig, unberechenbar und erbarmungslos.«
    »Sie sind noch nicht lange da«, sagte Ruben. »Wir haben die Zukunft vor uns. Es liegt alles noch in unserer Hand.«
    Steve schüttelte entschieden den Kopf. Wir sind nicht mehr als ein Mund voll Wasser, den du ins Meer speist, dachte er bei sich. Er bewirkt nichts. Doch er sagte es nicht laut.
     
    Auf dem Ritt nach Hause schlug das Wetter um. Die Berggipfel hüllten sich in Wolken. Es wurde kühl und begann zu regnen; ein feiner, aber unablässiger Regen, der lautlos herabsank und alles durchnässte.
    Die Lagerfeuer qualmten, aber wärmten nicht mehr. Die Nächte waren klamm, die Tage verhangen. Der Wald, luftig und lichtdurchflossen auf dem Weg nach Norden, war nun düster und nebelig. Die Wipfel kämmten die tief hängenden Wolken aus und schüttelten das Nass in die Farne. Das glänzende Fell der Tiere war von der Nässe stumpf und struppig, ihre Flanken wirkten eingefallen. Ihr Hufschlag klang dumpf auf feuchtem Moos und Polstern abgefallener Piniennadeln. Die Stimmung war gedrückt; sie ließ Mensch und Tier verstummen.
    Gebirgsbäche, aus denen vor wenigen Tagen mit den Ledereimern kaum genug Wasser zu schöpfen war, brausten nun zu Tal, um sich durch steile Schluchten in die Westsenke zu stürzen, rissen Steine mit sich und entwurzelten Bäume. Immer wieder kam es vor, dass eines der Tiere beim Durchqueren der tosenden Wasser den Halt verlor, unter verkeilte Baumstämme gedrückt wurde und zu ertrinken drohte. Bis zu den Hüften standen die Männer im Wasser, um sie mit Seilen herauszuzerren und hochzuhieven.
    Am leichtesten hatten es die Knirpse. Sie balancierten leichtfüßig auf umgestürzten Bäumen über die Furten oder schwangen sich hangelnd von Ast zu Ast, Gewehr und Ausrüstung über Brust und Rücken gehängt. Das nasse Gesichtsfell ließ ihre Mienen tief traurig erscheinen, als wären sie beisammen gesessen und hätten bitterlich geweint. Doch ihre Augen sprühten vor Munterkeit und dann und wann auch vor Spott über so viel Ungeschicklichkeit ihrer fernen Nachfahren.
    Obwohl sie alle hundemüde waren, konnten sie nachts nicht schlafen, und Harald bellte sich die Seele aus dem Leib, so hatte er sich in dem eisigen Gebirgswasser erkältet.
    Einmal stießen sie auf frische Kamelspuren, zuweilen auf die von wilden Ziegen. Sie begegneten niemandem. Das Land war weit und leer. Es gehörte den Bäumen und den Vögeln.
     
    Sie erreichten die Festung am späten Nachmittag. Unter den bepflanzten Röhrendächern war es

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