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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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Bursche, der da drüben bei den Tieren hockt, ist ein ausgewachsener Boisei.«
    Zum ersten Mal in seinem Leben sah Steve einen dieser scheuen, harmlosen Affenmenschen, von denen er schon so viel gehört hatte. Es war ein Männchen von gut zwei Metern Größe, breitschultrig wie ein Orang-Utan, mit fliehender Stirn, einem Scheitelkamm, rostrotem zottigen Fell und großen, dunklen, ängstlich blickenden Augen. Er war als Treiber in Begleitung des jungen Calahan gekommen, kauerte bei den angepflockten Jungkamelen und aß friedlich eine Hand voll wilder Zwiebeln, die er mit behutsamen, fast zärtlichen Bewegungen seiner Riesenpranken schälte, bevor er sie ins Maul schob.
    In dem Moment entdeckte ihn ein Krieger aus Blizzards Eskorte. Der Knirps fletschte die Zähne, ließ sich auf alle viere nieder und schlich lautlos näher. Sein Jagdinstinkt war erwacht. Der Boisei bemerkte ihn erst, als es zu spät war. Er heulte auf, weil er sah, dass er in der Falle saß, und versuchte vergeblich, zwischen den Beinen der Kamele hindurch zu entkommen, doch der Knirps hatte ihn bereits an seinen Zottelohren gepackt. Er riss ihm mit brutaler Gewalt den Kopf nach unten und versetzte ihm mit seinen klauenbewehrten Füßen ein paar Hiebe gegen die Rippen. Blut begann zu fließen. Die Kamele scheuten und trippelten aufgeregt mit zusammengebundenen Beinen hin und her. Der Boisei kreischte vor Angst und urinierte.
    Steve stand starr vor Schreck und wusste nicht, was er unternehmen sollte. Der Grund der wilden Rauferei war ihm schleierhaft, denn der zottige Riese konnte den Knirps doch wahrhaft nicht provoziert haben.
    Aber da war schon Ruben herbeigeeilt, der nun seinerseits den Knirps bei den Ohren packte und dessen Kopf zurückriss, damit der Hals des Boisei außer Reichweite der Zähne des Kleinen war. Dabei geriet der Knirps in den Urinstrahl des Großen und heulte auf, als ob er verletzt worden wäre. Ruben ließ los und wich ein paar Schritte zurück. Der Kleine wischte sich heftig die Brust, als wollte er die Flecken auf seinem sandfarbenen Fell austilgen. Er war außer sich vor Wut und duckte sich zum Sprung, schnellte aus dem Stand zwei Meter durch die Luft und hätte Ruben mit seinen scharfen dunklen Zehenklauen, die wie braune Glasscherben blitzten, im Unterleib, und mit seinen spitzen Zähnen am Hals erwischt, wenn dieser sich ihm nicht entgegengeworfen und einen mörderischen Faustschlag auf die flache Nase versetzt hätte. Der Knirps machte einen halben Salto rückwärts und stürzte zu Boden. Der Schlag hätte einen Bullen gefällt, der Bursche aber raffte sich blitzschnell wieder auf, war flink wie eine Katze sofort auf den Beinen und duckte sich. Ruben ging in Boxerstellung. Der Knirps erwartete deshalb, erneut mit einem Faustschlag abgewehrt zu werden, und versuchte Ruben auszutricksen. Diesmal sprang er höher, um mit den Klauen der Hinterhände an den Hals seines Gegners heranzukommen. Ruben aber wich unerwartet einen Schritt zurück und versetzte dem Knirps, als die geballte Ladung Muskeln mit hochgereckten Armen und gespreizten, nach vorn gestreckten Beinen auf ihn zugeflogen kam, einen fürchterlichen Tritt in die Hoden. Der Knirps stürzte zu Boden, krümmte sich zusammen und verlor die Besinnung, kam aber in erstaunlich kurzer Zeit wieder zu sich und war, bevor Steve es sich versah, erneut auf den Beinen.
    Ruben, den eine der gefährlichen, mit Steinen messerscharf geschliffenen Klauen am Oberarm gestreift hatte und der ziemlich stark blutete, kehrte ihm den Rücken zu und war eben dabei, den verängstigten Boisei und die Kamele zu beruhigen. Steve stieß einen Warnschrei aus, doch Ruben hörte ihn in dem Durcheinander offenbar nicht, denn er zeigte keine Reaktion. Steve war drauf und dran sich von hinten auf das verfluchte Biest zu werfen, um einen hinterhältigen Angriff zu verhindern, als etwas Seltsames geschah. Der Knirps ging seelenruhig auf Ruben zu und sagte: »Ist das deiner?«, indem er mit einer Kopfbewegung auf den Boisei wies, der sofort wieder erschrocken die Augen rollte.
    Als Ruben wortlos nickte, sagte der Knirps: »Sorry«, tippte mit dem Finger auf das blutdurchtränkte Hemd über Rubens Schulterwunde, leckte den Finger ab und trottete davon, als wäre nicht das Geringste geschehen.
     
    »Warum sind die beiden Rassen so erbost aufeinander?«, fragte Steve später den jungen Calahan, als sie im Schatten eines Binsendaches saßen und warteten, bis die am Spieß gebratene Ziege gar wurde.
    Ruben,

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