Der letzte Tag: Roman (German Edition)
Drei Abdrücke am Zaun, einen im Innern des Tempelgebäudes. Die Abdrücke waren schon zu einem großen Teil zerstört, wegen des Tohuwabohus, das die Polizei nach ihrer Ankunft veranstaltete. Ich schätze, es dürften rund achtzig Paar Füße gewesen sein, die dort zu einem bestimmten
Zeitpunkt im Dunkeln durch den Sand und das Blut getrampelt sind. Vielleicht hatte ja jemand etwas an seinen Schuhsohlen, was diese mysteriösen Abdrücke von langen knochigen Gliedmaßen verursachte. Wer weiß?«
Kyle räusperte sich. »Sie sagten, es seien zwei Aspekte gewesen, die Sie nicht klären konnten. Was war der Zweite?«
»Die Blutspritzer am Tatort waren, wenn Sie mich fragen, irritierender als die mysteriösen Fußabdrücke. Es war ziemlich viel Blut vergossen worden, sowohl im Tempel als auch am Zaun. Aber nicht genug. Manchmal dachte ich, die Opfer in der Kapelle waren vielleicht woanders getötet und danach wieder in die Mine zurückgebracht worden, weil am Tatort viel zu wenig Blut war. Alle Opfer haben sehr viel Blut verloren. Fast alles. Das haben die Autopsien ergeben. Meine Kollegen und ich vermuteten, dass es sich noch immer im Körper befand, und nicht herausgepumpt wurde, weil das Herz zu schlagen aufhörte. Oder dass es durch die Holzbohlen im Tempel in den Boden gesickert war. Die Gerichtsmediziner schauten sich die durchtrennten Halsschlagadern an. Untersuchten die Leiche ohne Kopf. Sie vermuteten, dass sie alle am Tatort ausgeblutet waren. Wir haben uns nie darüber unterhalten. Warum sollten wir auch? Diese Untersuchung ging uns nichts mehr an.«
»Wo ist das Blut also geblieben?«
»Einige Blutspritzer wurden an der Tempeldecke gefunden, das war am Ende der ersten Woche der Spurensuche. Vorher war niemand auf die Idee gekommen, dort oben hinzuschauen. Es sah aus wie von einer pulsierenden Ader versprühtes Blut. Aber falls es das war, wie kam es dann da hinauf? In gewisser Weise schien es, als wäre da jemand in der Luft abgeschlachtet worden. Was überhaupt nicht in Frage kommt. Das war absolut unmöglich. Allerdings hat Belial uns nie genau erklärt, wie und wo die Opfer getötet wurden. Aber dieser Irre war von Kopf bis Fuß mit Blut besudelt. Im Rückblick frage ich mich, ob er nicht sogar etwas
davon getrunken hat. Vielleicht sogar eine ganze Menge, nachdem er ihnen die Kehlen durchgeschnitten hat.« Sweeney hielt inne.
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Weil sie das schon mal gemacht hatten. Jemand von ihren eigenen Brüdern und Schwestern gefressen. Lake und Clover haben das bestätigt, auch wenn sie nicht daran teilgenommen hatten. Eine Frau namens Schwester Fina starb Ende 1974 eines natürlichen Todes, und die Sieben haben Teile von ihr gegessen. Haben sie gekocht und das Fleisch auf Brot verteilt. Also hatte Belial das schon mal getan. Er war damit vertraut, das zu verspeisen, was er ›das Manna meines Volkes‹ nannte. Als Belial im Gefängnis in Florence getötet wurde, hat ihn auch jemand in den Hals und in die Handgelenke gebissen.«
»Sein Mörder wurde nie gefunden. Levine vermutete, die Wachen hätten es zugelassen, dass andere Insassen ihn umbrachten.«
»Quatsch. Er war da im Hochsicherheitstrakt. Weil er mit der Todesspritze oder in der Gaskammer hingerichtet worden wäre, wenn er jemals vor Gericht gekommen wäre. Er war an den Handgelenken und am Hals total zerbissen, als sie ihn nach den Unruhen während eines Stromausfalls fanden. Es gab jedoch keine Wunden bei ihm, die darauf hindeuteten, dass er sich gewehrt hätte. Wenn Sie mich fragen, hat er den anderen Verrückten im Gefängnis davon erzählt, dass er Blut getrunken hat. Und einer von denen hielt das für eine gute Idee und machte genau das mit ihm, was er mit seinen Hippie-Freunden draußen in der Mine gemacht hatte. Er wurde im Aufenthaltsraum getötet. Und ließ es ganz einfach geschehen.
Vergessen Sie nicht die Beweismittel. Der Fall war schon so gut wie abgeschlossen. Wir hatten die Mordwaffen, jedenfalls bis auf eine, und wir hatten die Mörder: Belial, Moloch und Baal. Das reichte aus für eine Verurteilung. Es gab noch ziemlich viele Ungereimtheiten, und jeder, der an diesem Fall gearbeitet hatte,
gelangte zu einem bestimmten Zeitpunkt zu der Ansicht, dass da noch jemand anderes beteiligt gewesen sein musste. Aber dafür gab es keine Beweise. Keine Zeugen, keine Spuren, bis auf ein paar sehr merkwürdige Fußabdrücke, eine verschwundene, aus Knochen gefertigte Waffe, mit der die Hunde weggelaufen waren, und
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