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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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oft angeschaut, als er im Internet über sie recherchierte, aber nun, wo sie ihn ansahen, fühlte er sich verzagt und nervös. Als wäre er überwältigt von einer Autorität, die er bislang unterschätzt hatte, oder als würde er mit einem Mal einem Mädchen gegenüberstehen, dem er, ohne es zu merken, gefolgt war.
    Sie bemerkte seine Reaktion. Es schien ihr zu gefallen. Sie lächelte, ohne den Mund dabei zu bewegen. Hinter ihr strömte der unangenehme Geruch ihrer billigen Zigaretten aus dem unaufgeräumten Wohnraum. »Ist ja toll, dass ich es immer noch schaffe, jemanden zu beeindrucken.« Ihr Lachen war eher ein rumpeliges Husten, ihre Zähne waren größtenteils bräunlich verfärbt. »Kommt rein, Jungs.« Sie blickte über ihre Köpfe hinweg rechts und links die Straße entlang, dann trat sie beiseite. An den Füßen trug sie ausgelatschte Slippers.
    In Martha Lakes Mietshaus im späten viktorianischen Stil mit seinen gekreuzten Giebeln, verwitterten Pfosten und den Verzierungen oberhalb der ramponierten Veranda, die in dem wuchernden Garten zu versinken schien, fehlten eindeutig die Farben. Das Licht war schwach, jeder Glanz erloschen, die wärmeren Rottöne des Holzfußbodens und des Treppengeländers waren verblichen. Alles, was einmal weiß gewesen war, sah jetzt grau oder bräunlich verfärbt aus. Die Türrahmen und die Fußleisten waren abgenutzt und verkratzt. Die uralte Tapete in einem winterlichen Grün löste sich von der Wand, dahinter wurde der Putz sichtbar, der einen Farbton hatte, den man mit Prothesen assoziierte. Darüber erstreckte sich eine vergilbte Zimmerdecke mit rissigem Stuck.
    Das Haus war recht geräumig und vermittelte den Eindruck, als sei es vor langer Zeit verlassen worden. Es war sehr ruhig hier, aber nicht auf eine angenehme Art, die Stille lastete auf allem und drückte aufs Gemüt.
    Das Sonnenlicht drang kaum durch die Fensterscheiben und
malte schwache bläuliche Streifen an die Decke im Flur, durch den Martha sie jetzt in die Küche führte. »Die meiste Zeit verbringe ich hier.«
    In der Küche waren die Jalousien halb heruntergelassen, davor hingen schmuddelige Gardinen, durch die das trübe braune Licht rieselte. Das saubere, aber arg verkratzte Linoleum auf dem Küchenboden hatte ein Blümchenmuster, doch das belebte den Raum nicht im Geringsten. Die Küchenschränke aus gelb gestrichenem Holz hatten inzwischen die Farbe von fleckigem Elfenbein. Die Plastikgriffe an den Schranktüren waren wie Juwelen geschliffen. Kyles Oma hatte die gleichen, und auch so eine Spüle aus Emaille und einen schlichten Tisch mit vier Stühlen und einer blau-weiß karierten Tischdecke. Neben einem antik aussehenden Herd stapelten sich Marthas Gläser, Becher und Teller auf einem Regal, aber die peinliche Ordnung machte die Küche auch nicht wohnlicher. Dies war typisch für Häuser, in denen Kyle sich immer als Eindringling empfand, ein unangenehm berührter Zeuge der Ärmlichkeit und Einsamkeit eines alten Menschen.
    Er war schon erschöpft in diesem Haus angekommen, aber die Küche rief ein derartig überwältigendes Gefühl von Verlorenheit in ihm wach, dass er nur noch kraftlos umherschlurfen konnte. Trotzdem war es ein verdammt guter Ort für ihr Interview. Ein Art-Direktor aus Hollywood hätte es nicht besser einrichten können. Es zeigte deutlich, wie tief Martha Lake gesunken und was aus den Überlebenden der Sekte geworden war. Auch dieser Ort vermittelte ein Gefühl dafür, was es bedeutete, den Abstieg des Tempels der Letzten Tage ins Chaos miterlebt zu haben.
    Marthas Gesicht leuchtete in dem schwachen Licht der Küche blass wie ranzige Butter. Der Tisch vor ihr war übersät mit den verschiedensten Medikamentenpackungen, daneben stand eine Flasche Four Roses Bourbon. »Möchten Sie einen Schluck?«, fragte sie, als sie sah, wie Kyle die Whiskyflasche beäugte, bevor er peinlich berührt wegsah.
    Nein, nicht so früh am Tag , hätte er beinahe gesagt, schüttelte dann aber nur den Kopf. »Vielen Dank.«
    »Da ist noch Kaffee in der Kanne. Frisch gebrüht.«
    »Dan?«
    »Nein, danke.« Dan begann, die Lampen aufzubauen und packte das Tonequipment aus. Er war ganz offensichtlich froh darüber, nicht viel sagen zu müssen, und machte sich glücklicherweise wenige Gedanken über irgendwelche künstlerischen Herausforderungen.
    Kyle schenkte sich und Martha eine Tasse Kaffee ein. Er war viel zu erschöpft, um sie zu fragen, wo der Zucker war. Er trank den bitteren Kaffee einfach

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