Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Bridgette Clover und Martha Lake. Ein Selbstmord und ein Mord nach einem Eindringen im Jahr 2011.«
    Max deutete mit dem Füller auf ein Pressefoto von Irvine Levine, das Kyle von der Rückseite des Buchs Die Letzten Tage kannte. »Vermisst seit 2010. Keine Spur von ihm. Nichts.«
    Kyle schluckte. »Sie sind ja schon seit Jahrzehnten hinter der Sache her.«
    Max schüttelte den Kopf. »Nein. Das alles sind die Ergebnisse von weniger als zwei Jahren Arbeit. Ich habe mich so weit wie möglich von der Organisation ferngehalten. In dieser Hinsicht habe ich Sie nicht belogen, Kyle. Aber Sie werden bald verstehen, warum ich Ihnen die Gründe für mein neu erwachtes Interesse an der Sekte nur scheibchenweise mitteilen konnte.«
     
    »Ungefähr vor zwei Jahren wurde ich von einem Mann namens Don Perez angerufen, einem Wissenschaftler, der nach den Überlebenden der Sekte suchte, weil er ein Forschungsprojekt darüber laufen hatte. Er machte Bruder Heron ausfindig, der ihn an mich verwies. Perez fand heraus, dass viele der Angehörigen des Tempels, die die Mine in Arizona zwischen 1974 und 1975 verlassen hatten, entweder unter ähnlichen Umständen gestorben waren oder offiziell als vermisst galten. Viele von ihnen waren obdachlos, drogensüchtig, alkoholabhängig, manisch-depressiv. Wie auch immer, sie hatten allesamt ernsthafte Probleme. Das untermauerte Perez’ These über bestimmte Auswirkungen, die die Mitgliedschaft in solchen Sekten auf die Betroffenen hat. Da viele der Sektenmitglieder, die in Arizona dabei waren, wenn nicht sogar alle, von ihrer Zeit dort ernsthafte Schäden davongetragen hatten, war ich zunächst bereit, Perez’ Theorie zu akzeptieren. Aber noch während wir in Verbindung standen, verschwand Mr. Perez plötzlich von der Bildfläche. Sein Verbleib ist unbekannt und zwar seit Februar 2010.«
    Max seufzte laut auf. »Dann fand ich heraus, dass das gleiche Muster auf die Gründungsmitglieder der Sekte zutraf, die damals in der Clarendon Road und auf dem Hof in der Normandie
dabei waren. Aber nur auf diejenigen, die sich zur Zeit der Vision und der Ankunft der ›Erscheinungen‹ an beiden Orten befanden. Abgesehen von mir waren Heron, Isis und Gabriel die einzigen noch lebenden ehemaligen Mitglieder der Letzten Zusammenkunft, die ich aufspüren konnte. Führen Sie sich jetzt mal vor Augen, was den ehemaligen Angehörigen der Sekte zugestoßen ist, die in der jeweiligen Schlüsselperiode an dem einen oder anderen Ort anwesend waren. Das alles hat nichts mit Zufall zu tun! Und Isis, Heron, Gabriel und ich wurden seit diesem Jahr alle gleichzeitig von unangenehmen Träumen heimgesucht. Das waren die Vorahnungen auf das, was bald darauf folgen sollte, davon bin ich überzeugt. Es scheint so, als wäre Katherines Freude am langsamen Quälen noch immer vorhanden. Es scheint so, als wollte sie zurückkommen. Um uns alle zu holen.«
    »Jetzt mal langsam, wieso denn Katherine?«
    Max hob eine Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. »Alles zu seiner Zeit. Als ich die verschiedenen Orte der Sekte besuchte, fand ich dies hier.« Max ließ den Film zu einem Foto vom Haus in der Clarendon Road laufen. »Das Haus habe ich ausgesucht. Andere waren von Anfang an dagegen, weil es so teuer war. Aber Katherine liebte die großen Gesten und den Status, den das Gebäude vermittelte, und sie kontrollierte die Finanzen ja schon, bevor wir überhaupt dort einzogen. Ich habe das Haus wegen seines Rufs ausgesucht. Dort soll etwas Schändliches vorgefallen sein, irgendwann in der spätviktorianischen Zeit. Aber das Ganze ging wohl noch viel weiter in die Vergangenheit zurück.«
    Auf dem Bildschirm war jetzt eine Art Holzschnitt oder eine Radierung zu sehen. Sie zeigte einen Mann mit Spitzbart und breitkrempigem Hut. »Der Quacksalber, Okkultist und Hypnotiseur Valentyne Prowd, auch bekannt als ›der lange Val‹. Er wurde Mitglied von Lorches Blutsfreunden, als die Gruppe für kurze Zeit in London residierte, nachdem sie vor der Verfolgung in den Niederlanden geflüchtet war. Sie lebten ungefähr ein Jahr
lang wie eine fahrende Schauspieltruppe in Wohnwagen vor den Toren der Stadt auf einem Stück Brachland. Irgendwo in der Gegend zwischen dem heutigen Marbel Arch und Shepherd’s Bush. Ich glaube, dass die Blutsfreunde vor allem in Holland Park lebten, auf dem Grundstück von Prowd, bevor sie ohne ihren Gastgeber auf den Kontinent zurückkehrten. Prowd war offenbar nicht bereit, Lorche so viel Unterwürfigkeit