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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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aufgeregtes Gezwitscher mischte. Die gutturalen Laute, die es von sich gab, gingen in ein rasselndes Stöhnen über, während es mühsam die Stufen auf allen vieren hinaufkroch.
    Es lagen nicht mehr als ein Dutzend Treppenstufen zwischen ihnen, und in dem Moment, als das Ding den Absatz im ersten Stock erreichte, wandte Kyle sich um und flüchtete in seine Wohnung.
    Stehen bleiben und kämpfen? Zu dunkel. Kein Platz, um mit dem verdammten Hammer auszuholen.
    Im Eingang drehte er sich um, fasste hektisch nach dem Griff, ungelenk und unkoordiniert, weil er Hammer und Taschenlampe in den Händen hielt, und konnte die Tür gerade noch mit einer hastigen Bewegung des Ellbogens zuschlagen. Das Ding kreischte schrill auf. Irgendwo unten am Boden. In seinen Ohren klang es gedämpft und unwirklich, als läge er in einer Badewanne unter
Wasser. Etwas kratzte außen an seiner Tür. Die Tür wollte sich nicht richtig schließen lassen, passte nicht mehr in den Rahmen, klemmte. Er sah nach unten. Senkte die Hand, in der er die Taschenlampe hielt. Und hätte beinahe auf seine Stiefel gekotzt.
    Wie konnte etwas so Dünnes derart viel Kraft haben?
    Mit dem ganzen Gewicht seines Körpers drückte das Ding von außen gegen die Tür. Versuchte, Stück für Stück seinen eingeklemmten Arm durchzuquetschen. Kyle hörte draußen das Kratzen scharfer krallenartiger Füße, die auf dem zerschlissenen Teppich Halt suchten. Die grausige Hand, die schon durch den Türspalt gedrungen war, tastete hektisch und spinnenartig herum wie eine japanische Riesenkrabbe, die sich aus einer lichtlosen Spalte tief unten im Ozean herausquält. Längliche Finger mit vom Alter geschwärzter Haut kräuselten sich unter der Tür hervor, krochen höher und näherten sich gierig zuckend seinem Unterleib.
    Irgendwie gelang es Kyle, die Sicherungskette vorzulegen, dann wandte er sich um und flüchtete weiter in seine Wohnung, die nun zweifellos zur Falle geworden war. Seine Gedanken stoben durcheinander wie Konfetti in einem Luftwirbel. Sollte er sich im Badezimmer einschließen und laut schreien? Sollte er diesem Ding im Wohnzimmer gegenübertreten und versuchen, ihm den von toter trockener Haut überzogenen Schädel mit dem Hammer einzuschlagen? Aus dem Fenster springen?
    Im Schein der Taschenlampe hastete er durch den dunklen Flur. Schnappte dabei keuchend nach Luft wie ein Asthmakranker. Er steckte den Hammer in seinen Gürtel und die Lampe in die Gesäßtasche. Kletterte auf die Fensterbank. War schon halb draußen, Gesicht und Brustkorb gegen die Außenseite des Fensters gedrückt, als er hörte, wie die Wohnungstür aufbrach.
    Er rutschte auf dem Sims zur Seite, die Hände fest um den Fensterrahmen gekrallt, weil er keinen anderen Halt hatte. Im blassen, indirekten Licht der Straßenlaternen konnte er das Ding,
das durch den dunklen Raum auf der anderen Seite des Fensters raste, offenbar auf allen vieren wie ein Hund, nur erahnen. Und als es erst mal drinnen war, begann es mit einem grausigen Eifer sein Zerstörungswerk. Die überlangen Arme reckten sich, suchten in allen Richtungen nach ihm und rissen dabei alles zu Boden, was ihm in den Weg kam. Laptop und Whiskyflasche fielen herunter, Dutzende von Büchern wurden gegen die Wand geschleudert.
    Kyle schaute auf seine Stiefel und wusste, dass er es niemals tun würde. Er konnte nicht da hinunterspringen.
    Hinter ihm fiel die DVD-Sammlung wie eine Lawine in sich zusammen. Er duckte sich und rutschte mit Beinen und Hüften über den Sims. Hielt sich mit beiden Händen an dem kalten steinernen Rand fest, als wollte er vom Rand eines Pools mit den Füßen zuerst ins Wasser gleiten.
    Das Ding hörte ihn, und die an eine Vogelscheuche erinnernde Silhouette hörte zu wüten auf. Es kroch über den Boden Richtung Fenster. Es schnüffelte. Es war zu dunkel, als dass er es genauer hätte erkennen können, und dafür war er Gott unendlich dankbar. Und dann ließ er sich vom Fenstersims hinunterfallen.
     
    Wie sie sich materialisierten und welche Grenzen es bei ihrer Heimsuchung für sie gab, war ihm überhaupt nicht klar. Max hatte davon gesprochen, dass sie Nahrung brauchten, um weiter existieren zu können, aber darüber hatte Kyle nicht nachgedacht. Er vermutete, dass dieses Ding nicht lange in seiner Wohnung geblieben war. Vielleicht konnte es ja nicht bleiben und musste zurückkehren an diesen Ort, an dem seinesgleichen seit vierhundert Jahren herrschten, in einem Königreich aus Schmutz, Staub und toten

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