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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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aufs Stativ, hockte sich davor und las sein Testament vor. Es sollte den Film beenden. Oder wäre es als Prolog besser geeignet? Er hielt inne, konnte sich nicht entscheiden. Auf jeden Fall aber würde er seinen letzten Film Dan widmen. Der sein Leben für dieses Projekt gegeben hat . Wenn er diese Aufnahme beendet hatte, würde er sie
ebenfalls auf den FTP-Server hochladen. Und wenig später wäre alles zusammen im Online-Archiv von Finger Mouse verfügbar. Gut, gut. Er schaute zum Fenster. In einer Stunde ging die Sonne auf. Er hatte es fast geschafft. Vielleicht kamen sie ja gar nicht mehr. Er hoffte, dass sie mit Max genug zu tun hatten. Sie kamen sowieso nicht jede Nacht, oder? Und was war mit Finger Mouse? Genügte es, dass er sich mit diesem Material beschäftigte, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen?
    Und da hörte er es.
    Eine Ratte in der Wand dort drüben.
    Gefolgt von einem weit entfernten Kratzen. Dann ein Taptap-tap. Arhythmisch. Es folgte eine Pause, deren Stille ihm schlimmer erschien als die Geräusche. Dann erneutes Kratzen. Ja, Kratzen und leises Poltern. Irgendwo im gemeinschaftlichen Bereich des Hauses, aber unter seinem Boden. Die Geräusche kamen nicht aus seiner Wohnung, davon war er überzeugt, sondern aus dem Stockwerk darunter. Dort war die Eingangshalle. Er hoffte nur, dass Jane nicht aufwachte und die Tür öffnete. Lieber Gott, bloß das nicht. Vielleicht lag sein Kater ja auf ihrem Bett. Aber es würde nicht lange dauern, da wäre er hellwach. Er wusste bestimmt gleich, was los war.
    Vielleicht war es auch nur die Katze, die diese Geräusche verursachte, weil sie zurück in Janes Wohnung wollte. Sie kratzte so lange an der Tür, bis sie bemerkt wurde. Das Licht in seinem Flur wurde schwächer, aber es war kaum wahrnehmbar, und er fragte sich, ob er sich das nur eingebildet hatte.
    Kyle bewegte seinen steifen Nacken und beugte sich nach vorn, um vom Sofa aus in den Flur und zur offen stehenden Wohnungstür zu sehen.
    Da war nichts. Aber das Licht im Treppenhaus war aus. Dabei hatte er es angelassen. Jetzt wäre ihm lieber gewesen, er hätte die Wohnungstür abgeschlossen. Wenn er in der Küche oder im Badezimmer ein verdächtiges Geräusch hörte, so hatte er es sich
überlegt, wollte er durch den Flur nach draußen rennen, als sei der Teufel hinter ihm her.
    »Scheiße.« Er kam sich hilflos vor wie ein Baby. Er umfasste den Griff des Hammers und fragte sich, ob er wirklich in der Lage war, sich damit zu verteidigen. Wann hatte er sich das letzte Mal geprügelt? Mit seinem Bruder, damals war er ungefähr vierzehn gewesen. Wie schnell waren diese Dinger eigentlich, diese Blutsfreunde?
    Ein Dröhnen. Im Erdgeschoss. Als ob etwas sehr Schweres gegen Holz geschlagen wurde. Hohles Holz.
    Kyle geriet in Panik. Er stand auf, um zu verhindern, dass sein linkes Bein unkontrolliert zitterte. Überlegte fieberhaft, was da unten los war. Am Ende des schmalen Treppenhauses, in diesem engen Eingangsbereich: Da war die Tür zu Janes Wohnung, ihr Fahrrad, ein Stapel Zeitungen, die zum Container sollten, die Sicherungen in einem Holzkasten an der Wand neben der Eingangstür.
    Kyle humpelte zum Fenster, drehte am Griff und schob den widerspenstigen Rahmen nach oben. Kalte Luft drang herein und weckte ihn ein wenig aus seiner Trance. Draußen war ein schmaler Sims. Alle Häuser auf dieser Straßenseite hatten solche kleinen Vorsprünge, meist standen Blumentöpfe oder Pflanzenkästen darauf. Sein Sims war mit Kippen von Zigaretten und Joints übersät. Darunter war es ziemlich finster. Die Hausfront lag zwischen zwei Straßenlaternen und üppig wuchernden Ligusterhecken, die schon lange niemand mehr gestutzt hatte.
    Konnte er dort hinunterspringen? Er stellte sich vor, wie seine Knöchel umknickten und brachen. Wie er mit dem Schienbein auf dem Rand der Vorgartenmauer aufkam und mit dem Steißbein auf einem Abflussrohr landete. Das kannst du vergessen.
    Da war es wieder. Das Dröhnen. Und etwas anderes, das er nicht genau einordnen konnte. Ein Pfeifen oder ein Winseln, unterbrochen von einem Klopfen auf Holz, das immer schneller
wurde. Eine Stimme? Vielleicht. Etwas, das wie das Weinen eines Babys klang, aber aus dem Mund eines älteren Menschen kam. Kyle sah wieder aus dem Fenster durch die nur schwach erleuchtete Dunkelheit nach unten.
    Was ist, wenn es die Lichter ausmacht? Die Sicherungen für das ganze Gebäude befanden sich in dem Kasten neben der Haustür. Woher wissen sie, dass sie dahin müssen?

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