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Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Der letzte Tag: Roman (German Edition)

Titel: Der letzte Tag: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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sie an dem eben
erlegten Ding vorbeikamen, trat Jed mit dem Stiefel auf seinen Schädel und zertrümmerte ihn, damit es endlich zu zappeln aufhörte. Kyle sah sich das Vieh an, das Jed von der Decke geschossen hatte. Es trug einen Kittel, der so uralt war, dass die schmuddeligen, blutgetränkten Fasern aussahen, als wären sie an dem mageren Brustkorb festgewachsen. Er schaute lieber woandershin.
    Sie bewegten sich so schnell, wie sie es wagten, und liefen einen weiteren Gang entlang. Hier waren die Türen höher und breiter, mit einem Goldrahmen verziert, und auf jeder prangte ein Pfauenrad. Hinzu kam die altmodische Silhouette einer schönen Frau, die als Intarsie den Türgriff einrahmte.
    Jed probierte die Türklinke der ersten der Penthouse-Suiten. Dann nahm er Anlauf und trat die Tür ein. Der Lichtschein seiner Fackel flackerte durch den dunklen Raum, und er stürmte geduckt hinein, die Pistole im Anschlag. Max folgte ihm. Kyle hörte, wie Jed ausrief: »Großer Gott!«
    Er selbst blieb im Korridor stehen, direkt vor der Tür, und hielt seine Fackel hoch. Der grelle Lichtschein erhellte den gesamten Flur bis zum hinteren Ende, von wo gelegentliches Pfeifen und Bellen zu ihm drang. Auf der anderen Seite konnte er noch immer durch den Torbogen, durch den sie gerade gekommen waren, bis in die Lobby sehen. Dort flitzte eins von diesen Dingern durch den Lichtschein, nach vorn gebeugt, auf allen vieren. Es benutzte die Hände, als wären es Beine, und seine Gliedmaßen waren so knochig wie die eines Hundes. Es hatte das Gesicht abgewandt, und Kyle sah einen bleichen Hinterkopf mit dünnen schwarzen Haarsträhnen. Die Hand, in der er die Pistole hielt, verkrampfte sich.
    Hinter sich hörte er die aufgeregte Stimme von Max, der entweder auf Jed oder sich selbst einredete. Er klang ziemlich panisch. »Das Blut wird schnell getrunken. Es hält sie hier. In Frankreich taten sich Lorches Engel sogar an einer belagerten Stadt gütlich. Sie wurden zu Kannibalen. Ihr Leid war so schrecklich,
dass sie am Himmel, in der Luft und in der Welt Zeichen hinterließen, um davon zu künden …«
    Kyle blickte über die Schulter. Dort sah er Plasmabeutel von einem länglichen Metallgerüst herabhängen, das aussah wie eine mobile Garderobe bei einer Modenschau. Flache, schmutzige Plasmabeutel aus einer Blutbank, und aus ihnen tropfte Nahrung in einen Trog, als sollten dort Ferkel gefüttert werden. Neben dem Gerüst saßen zwei alte Frauen nebeneinander auf weißen Stühlen. Mit weit aufgerissenen glasigen Augen. »Schwester Gehenna und Schwester Bellona. Die letzten beiden der Sieben«, sagte Max. »Katherines Vertraute. Die ihr am fanatischsten ergeben waren … sie haben sich geopfert. Sogar nachdem …« Max konnte den Satz nicht beenden, seine Stimme versagte, übrig blieb nur ein hoffnungsloses Hauchen.
    Im Licht der Fackeln konnten sie erkennen, dass die beiden toten Frauen die rote Nonnentracht der Sieben trugen. Irgendwann, als die Plasmavorräte aufgebraucht waren, hatten sie ihre eigenen Körper angezapft und alles geopfert, bis sie nur noch aus vertrockneten Sehnen, Muskeln und Knochen bestanden, leer gesaugt von zahlreichen zerbrochenen Zähnen, die sich in ihren dünnen Armen, Beinen und schließlich ihren Hälsen verbissen hatten. Es sah so aus, als hätten die beiden Schwestern sich selbst die Pulsadern aufgeschnitten wie teuflische Mütter, die vor nichts zurückscheuten, um ihre Brut zu nähren. Doch es schien den grausigen Bund zwischen den Lebenden und den Toten nur erleichtert zu haben; der rostige Geruch ihres gealterten Blutes musste die Besucher aus dem Jenseits zu unbändiger Gier aufgepeitscht haben. Was das für Folgen gehabt hatte, war so schrecklich anzusehen, dass Max’ Beine nachgaben. Jed musste ihn festhalten und aus dem Zimmer zerren.
    Schweigend taumelten sie zurück, erschüttert von dem Anblick, mit dem sie gerade konfrontiert worden waren. Kyle ging rückwärts und fragte sich, ob er vor Schreck erstarren würde,
wenn sich jetzt eins von diesen scheußlichen Dingern aus dem endlosen dunklen Tunnel heraus auf ihn stürzte, oder ob er noch in der Lage war zu schießen. Hatten sie in diesem Zimmer ihr eigenes Ende vor Augen geführt bekommen? Würde es genau darauf hinauslaufen, wenn sie nur den kleinsten Fehler begingen? Würden sie hier oben in der Finsternis verenden? Sie schnauften laut durch die offenen Münder, weil sie den ekelerregenden Gestank, der sie umgab, nicht durch die Nase einatmen

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