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Der letzte Tiger

Der letzte Tiger

Titel: Der letzte Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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hinüber, als wolle er sichergehen, dass er abgelenkt war und nicht zuhörte. »Käfige in Laos«, flüsterte er.
    »Laos?« Es ging also wirklich um Schmuggel, dachte Ly. Und diese Tierhändler hatten ihr Lager auf der anderen Seite der Grenze. Das war wahrscheinlich sicherer. Da drüben galten die Gesetze noch weniger als hier.
    »Hast du auch meinen Freund Truong zu den Käfigen gebracht?«, fragte Ly.
    Xang schüttelte den Kopf. Paos Murmeln wurde jetzt lauter und ging in einen monotonen Gesang über.
    »Er hat Angst«, flüsterte Xang. »Weil mein Bruder vor ein …« Xang brach mitten im Satz ab.
    »Was ist mit deinem Bruder passiert?«, fragte Ly. »Es war kein Unfall, oder?«
    Bevor Xang etwas sagen konnte, hatte Pao sich zu ihnenumgedreht. Seine Gesichtszüge wirkten seltsam starr, und er sagte: »Wenn draußen hell, wir suchen Bang.«
    *
    Mit der ersten Morgendämmerung gingen sie los. Es nieselte, und gleichzeitig brachen vereinzelt Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke. Der Morgennebel hing tief über dem Boden. Von weit her war der hohe Ruf eines Gibbons zu hören. Wenige hundert Meter hinter Paos Haus begann der Wald. Erst liefen sie noch über einen schmalen Pfad, dann querfeldein. Je weiter sie gingen, umso dichter wurde das Gestrüpp zwischen den hohen Bäumen. Nasse Blätter streiften Lys Gesicht. Er versuchte, nicht an die Schlangen zu denken, die hier sicherlich überall lauerten. Mit einer Machete schlug Pao den Weg frei. Die Klinge, die in einem abgegriffenen Stück Holz steckte, sah aus, als sei sie selbst geschmiedet. Sie musste scharf sein. Sogar dicke Ranken fielen, ohne dass Pao große Kraft aufzuwenden schien.
    Den beiden Hmong machte der Fußmarsch offenbar nichts aus. Ly dagegen fiel immer weiter zurück. Es ging steil bergauf, dann wieder bergab, was noch anstrengender war. Er hielt sich an Luftwurzeln fest, um nicht abzurutschen. Sein Arm, den er seit Tagen nicht gespürt hatte, schmerzte wieder, und obwohl es immer noch kühl war, lief ihm der Schweiß. Mehrmals mussten sie über umgestürzte Bäume klettern, und immer häufiger blieben Pao und Xang stehen, um auf ihn zu warten. Einmal schlug Pao mit der Machete so auf den Boden, dass ein Ast neben Ly hoch schoss. Erschrocken sprang Ly zurück.
    »Falle«, sagte Pao und erklärte mit seinem begrenzten vietnamesischen Wortschatz die Mechanik. Eine Drahtschlaufe wurde in eine Mulde gelegt und mit Blättern überdeckt. Das andere Ende des Drahtes wurde an einem jungen flexiblen Baum befestigt, der als Feder diente. Trat ein Tier in die Schlaufe, sprang der Ast hoch, und die Falle zog zu. Die Schlaufen wurden aus den Bremsseilen von Fahrrädern geflochten.
    Pao redete mit gedämpfter Stimme mit seinem Sohn, während sie einem kleinen Wasserlauf folgten. Dicke Spinnwebfäden klebten Ly im Gesicht, er schaffte es nicht, sie wegzuwischen. Die Baumstämme um sie herum waren jetzt fast alle von Schlinggewächs überwuchert, das rote Blüten trug. Pao deutete Ly, leise zu sein. Kurz darauf hörte Ly ein Fauchen. Er suchte den Wald mit den Augen ab. In der Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, meinte er, etwas zu erkennen. Er war sich nicht sicher, aber es sah fast aus wie Holzbretter, die da durch die Blätter schimmerten. Und Maschendraht.
    »Sind das die Käfige?«, fragte er flüsternd. Weder Pao noch Xang antworteten. Sie marschierten einfach weiter. Ly wollte anhalten und nachsehen, doch er hatte Angst, die beiden aus den Augen zu verlieren. Alleine würde er niemals aus dem Wald herausfinden. Er drehte sich noch einmal nach diesen Kisten um, dann eilte er ihnen hinter her.
    Vor einer schroffen Felswand blieben Pao und Xang schließlich stehen. Ly brauchte eine Weile, bis er erkannte, warum. Eingekeilt in einen Felsvorsprung, war dort ein Unterstand gebaut. Die Wände waren aus Ästen und Winden geflochten, das Dach mit getrockneten Blättern gedeckt.
    »Unsere Hütte«, sagte Xang. »Ich habe Bang mal mit hergenommen.«
    Sie gingen auf die Hütte zu, schleichend, wie um sich vor einem möglichen Bewohner nicht zu verraten. Xang zog die Tür auf. »Bang?«, rief er. »Bang?«
    In der Hütte, die kaum zwei Meter im Quadrat maß, stand eine Feldpritsche, darauf lag ein Schlafsack. Auf dem Boden lagen leere bim bim -Tüten. Garnelengeschmack. Das musste von Bang sein. Ly konnte sich nicht vorstellen, dass die Hmong Chips mit in den Wald schleppten. Und für einen Schlafsack hatten sie sicherlich auch kein Geld.
    Xang war wieder aus der

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