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Der letzte Tiger

Der letzte Tiger

Titel: Der letzte Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Luttmer
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Ly, den Fall mit dem Tiger vom Literaturtempel«, sagte er leise. »Sie brauchen sich nicht weiter darum zu kümmern.«
    »Aber der Tiger kommt nicht aus dem Zoo. Da können wir doch ermitteln«, wandte Ly ein.
    »Wissen Sie, die internationale Presse hat sich schon wieder anderen Dingen zugewandt. Und …«, mit zittriger Hand wies er auf Lys Gesicht, »… Sie sind bis auf weiteres freigestellt. So wie Sie aussehen. Schlafen Sie sich erst mal aus. Und melden Sie sich, wenn Ihr Gesicht wieder vorzeigbar ist.«
    Vor dem Volkskomitee wartete bereits eine schwarze Limousine mit abgedunkelten Fenstern auf die Abendgesellschaft. Die Zoodirektorin hielt Ly zum Abschied ihre Hand hin. Ly ignorierte sie. Richter Cang öffnete die Wagentür und deutete eine Verbeugung an. »Parteigenossin, darf ich bitten«, sagte er mit einem Lächeln.
    Ly hätte schreien mögen.
    *
    Vom Volkskomitee ging Ly die fünf Minuten zu Fuß bis in die Hang-Giay in der Altstadt. Dort gab es ein gutes bit tet -Restaurant, und ein herzhaftes Beefsteak war jetzt genau das, was er brauchte. Er setzte sich in den Innenraum, um alleine zu sein. Die anderen Gäste saßen alle draußen. Über die Wände waren kreuz und quer Lichterketten gezogen, die in allen nur erdenklichen Farben leuchteten, und mitten im Raum stand ein Weihnachtsbaum aus Plastik mit roten Kugeln und goldfarbenen Girlanden.
    Ly bestellte eine Portion mit Spiegelei und Bratkartoffeln, die zusammen mit dem Fleisch in einer heißen gusseisernen Pfanne serviert wurden. Dazu trank er Hanoi -Bier.
    Zweimal klingelte sein Handy. Beide Male war es Tu, und beide Male drückte Ly den Anruf weg. Es würde auch reichen, Tu morgen von der Vernehmung zu berichten. Heute wollte er mit überhaupt niemandem mehr sprechen.
    Von der Hang-Giay nahm er ein xe om nach Hause, obwohl es nur wenige hundert Meter waren. Er war so müde, dass ihm schon ganz schwindelig war. Er schleppte sich die Stufen zu seiner Wohnung hinauf, ließ sich auf das Bett fallen und schlief sofort ein.
    Irgendwann weckte ihn die Stimme seines Sohnes.
    »Papa? Wieso schläfst du schon?« Duc kniete neben ihm auf dem Bett und rüttelte an seiner Schulter.
    »Ich bin müde«, murmelte Ly.
    »Papa, was ist los?«
    »Duc, lass Papa schlafen«, hörte Ly Thuy aus der Küche rufen. »Und du gehst jetzt auch ins Bett.«
    »Morgen ist doch Sonntag«, maulte Duc.
    »Egal, Abmarsch«, sagte Thuy.
    Fünf Minuten später hatte Duc sich neben Ly unter die Decke gekuschelt. Thuy war noch in der Küche. Ly hörte Wasser laufen und Geschirr klirren. Er legte seinen Arm über Duc und zog ihn eng zu sich heran. »Morgen unternehmen wir was, okay?«, flüsterte er ihm zu. »Vielleicht Tretboot fahren?«
    »O ja«, sagte Duc und war kurz darauf auch schon eingeschlafen. Ly spürte es an seinem ruhigen Atem. Er selbst konnte nicht wieder einschlafen. »Thuy, bringst du mir noch einen Schnaps?«, rief er und sah ihr zu, wie sie die Flasche mit dem selbst gemachten Aprikosenschnaps aus dem Schrank nahm und eingoss. Mit dem Glas in der Hand drehte sie sich zu ihm um. Ein Schrei entfuhr ihr. »Meine Güte! Wie siehst du denn aus?«
    »Nicht so schlimm.«
    »Was ist passiert?« Sie setzte sich neben ihn auf das Bett und hielt ihm das Glas hin.
    »Wirklich, es sieht schlimmer aus, als es ist«, sagte Ly.
    »Ich will wissen, was passiert ist«, wiederholte sie.
    »Kleine Schlägerei.«
    »Ngoc?«
    »Wie kommst du denn da drauf?«
    »Na ja, ich dachte«, sagte Thuy, »vielleicht hat er sich gerächt?«
    Ly merkte, wie er rot wurde. Ngoc zu schlagen hatte gutgetan. Aber es vor seiner Frau zuzugeben, das war etwas anderes. »Ich musste einfach …«
    Thuy legte ihm einen Zeigefinger auf den Mund und lächelte. »Er hat’s verdient.«
    *
    Ly schlief in dieser Nacht tief und fest. Er träumte nicht einmal. Als er aufwachte, roch es nach frischem Kaffee. Thuy saß mit angezogenen Beinen neben ihm auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt und ihre Füße mit unter seiner Decke. Mit beiden Händen umfasste sie eine Kaffeetasse und pustete mit spitzen Lippen den Dampf weg.
    Ly setzte sich auf, gab ihr einen Kuss und streckte seine Hand nach der Tasse aus.
    »Wie geht’s dir?«, fragte Thuy.
    »Ausgeschlafen.«
    »So siehst du nicht aus.«
    Ly zuckte mit den Achseln und trank von dem Kaffee. »Gibst du mir mal mein Telefon?«
    »Schon wieder«, sagte Thuy mit einem Seufzer, reichte ihm aber den Hörer. Ly wählte die Nummer von Nguyen Duy Cao. Er wollte wissen, wie

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