Der letzte Tiger
gut gemeistert. Und wenn ich manchmal doch langsamer als die Wasserbüffel war, lag das allein an meiner Fahrkunst – und am Regen, der die Trampelpfade in Schlammpisten verwandelt hatte.
Informationen zum Buch
Tatort Hanoi
Es ist Ende Oktober, die Monsunzeit hätte längst zu Ende sein sollen, doch es regnet immer noch. Truong, ein Freund von Kommissar Ly und Tierpfleger im Zoo von Hanoi, wird tot in seiner Wohnung aufgefunden. Sein Kühlschrank hat unter tödlicher Spannung gestanden. Doch Ly glaubt nicht an einen Unfall. Noch kurz vor seinem Tod hat Truong ihn dringend sprechen wollen. Ly beginnt privat zu ermitteln. Bis ihm ein anderer Fall übertragen wird. Ein gewisser Nam ist an den Folgen eines Tigerangriffes gestorben. Und das mitten in Hanoi. Er hatte den Tiger auf dem Rücksitz seines Wagens transportiert. Offenbar gehörte der Tote zu einer Bande, die Schmuggel mit wilden Tieren betreibt. Ly kommt ein Verdacht. Hat Truongs Tod auch mit etwas mit illegalem Tierhandel zu tun? Gehören beide Fälle vielleicht sogar zusammen?
Spannend und einzigartig – Kommissar Ly ermittelt.
Informationen zur Autorin
Nora Luttmer , Jahrgang 1973, lebt in Hamburg und arbeitet als Autorin und freie Journalistin. Sie hat Südostasienkunde mit dem Schwerpunkt Vietnam in Passau, Hanoi und Paris studiert. Seit Mitte der 1990er Jahre ist sie immer wieder in Hanoi und spricht unter anderem Vietnamesisch.
Als Aufbau Taschenbuch erschien von ihr bisher ein Roman um den Ermittler Ly: »Schwarze Schiffe«.
Leseprobe aus:
Nora Luttmer
Schwarze
Schiffe
Kommissar Ly ermittelt
in Hanoi
Kriminalroman
Am Tatort war nur die Kreidezeichnung geblieben. Daneben hatte jemand eine Vase mit weißen Lotusblumen und eine Keramikschale mit Räucherstäbchen gestellt. Es sah aus wie auf einem Opferaltar. Auch bei der Leiche hatten Lotusblumen gelegen. War der Mörder zurückgekehrt? Die Räucherstäbchen glimmten noch, und der Rauch kräuselte sich in der heißen Luft. Kommissar Ly schaute sich suchend um, sah aber unter den vielen Menschen niemanden, der ihm besonders ins Auge fiel.
Vom Wasser her hörte er ein Plätschern. Der Tempelhof grenzte direkt an den Westsee. Ly ging zu der niedrigen Mauer, die das Ufer säumte, und schaute, wo das Geräusch herkam. Er sah nichts als einen krummen Bambussteg, der einige Meter in den See hineinragte. Das Sonnenlicht blitzte auf dem Wasser. Über der Innenstadt am südlichen Ufer hing ein grauer Dunst. Ly setzte sich, den Blick wieder auf den Tatort gerichtet. Vor seinem inneren Auge spulten sich die Bilder der vergangenen Nacht noch einmal ab.
Es war etwa drei Uhr gewesen, als der Anruf bei ihm eingegangen war. Zwanzig Minuten später fuhr er durch das Tempeltor. Der beißende Geruch abgebrannter Räucherstäb chen hing in der Luft. Eine Ratte schrie.
Etwas am Rand, neben einem kleinen gemauerten Altar, standen mehrere Leute zusammen. Sie tuschelten, irgendjemand weinte leise. Dennoch lag eine seltsame, tödliche Ruhe wie eine Glocke über ihnen.
Ein uniformierter Beamter kam auf Ly zu. Seine Bewegungen wirkten wie in Zeitlupe. Die Schultern hatte er weit nach oben gezogen. Sein Gesicht war fahl, und er hatte noch die pickelige Haut eines Pubertierenden. Ein säuerlicher Geruch ging von ihm aus. Mit einer vagen Kinnbewegung wies er in Richtung Ufermauer, ohne Anstalten zu machen, Ly zum Tatort zu begleiten. Ly ließ ihn. Dieser Junge würde ihm sowieso keine Hilfe sein.
Ly ertastete sich seinen Weg zwischen den Luftwurzeln des uralten Banyans hindurch. Dick wie Baumstämme spannten sich die Luftwurzeln in einem dichten Netz über den Platz. Er stolperte über einen herumliegenden Gegenstand und spürte trockene Rinde unter seinen Fingern. Und dann etwas Weiches. Er zuckte zurück. Ihr Gesicht war genau vor ihm. Sie starrte ihn an, leblos und doch wütend, voller Verachtung. Ihm wurde schwindelig, er schloss die Augen, drückte die Handflächen fest gegen seine Schläfen, schüttelte heftig den Kopf und murmelte ein »lay troi lay dat« . Seine hilflose Beschwörungsformel, um die bösen Geister zu vertreiben.
Dann zwang er sich, die Tote genauer anzuschauen. Er ließ den winzigen Lichtstrahl seines Feuerzeugs über sie gleiten, sah diffuse Ausschnitte. Verzerrt und gelblich schimmernd. Ly ahnte die Kraft des Mörders und seine Gewalt. Überall war Blut. Die Tote war an die Luftwurzeln gefesselt, mit einem dünnen Seil, die Füße knapp über dem Boden. Unter ihren Füßen lagen rot
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