Der letzte Vampir
blutüberströmt, dass Caxton weder die Rasse noch das Geschlecht des Kadavers bestimmen konnte.
Nein, Moment mal, dachte sie. Er war nicht tot. Er bewegte sich, wenn es auch sicher nur Reflexe waren, ein Zucken hier und da, ein letzter Krampf, bevor der Körper endlich den tödlichen Verletzungen erlag. Die Halbtoten befestigten die baumelnden Ketten an den Fußknöcheln und zogen den Körper dann in die Höhe. Scapegrace half ihnen, ihn über dem Sarg zu positionieren, bis er über Malverns untergetauchter Gestalt baumelte und seine Fingerspitzen beinahe die Oberfläche des gerinnenden Blutes berührten.
Der Körper schwang herum, erst nach links, dann nach rechts. Scapegrace und Hazlitt schauten sie an, als erwarteten sie irgendeine Reaktion von ihr. Eigentlich wollte sie ihnen sagen, dass sie schon Schlimmeres gesehen hatte. Sie hatte Schulballköniginnen der Highschool vom Asphalt gekratzt. Dann begriff sie, dass es um diesen ganz bestimmten Menschen ging.
Am Revers steckte ein kleines, silbernes Abzeichen, ein Stern in einem Kreis. Die Dienstmarke eines Special Deputy des U. S. Marshals Service.
53.
»Arkeley«, sagte sie. »O mein Gott, das ist Arkeley. Ihr habt ihn getötet.« Sie hatte gewusst, dass er tot war, hatte es bereits akzeptiert, aber das hier – das war der Beweis. Tränen schossen aus ihren Augen, tropften auf ihre Uniformbluse.
»Oh, der ist noch ganz lebendig«, verkündete Scapegrace. »Jedenfalls sollte er es lieber sein.« Die Halbtoten wichen von dem Sarg zurück, und Caxton begriff nun. Als sie ihr Haus angegriffen hatten, hatten Scapegraces Befehle gelautet, beide Cops lebendig zu fangen. Caxton, damit sie zur Vampirin gemacht werden konnte, und Arkeley, damit Scapegrace ihn für das zu Tode foltern konnte, was er Reyes und Congreve und Lares und Malvern und jedem anderen Vampir, den er in die Hände bekommen hätte, angetan hatte.
Hazlitt berührte den Hals des Feds. »Der Puls ist noch da. Etwas fadenscheinig, aber spürbar. Und er atmet definitiv. Allerdings ist er ohnmächtig.«
Scapegrace lächelte. »Dann wollen wir ihn mal aufwecken.« Er trat an den baumelnden Körper heran und griff nach Arkeleys linker Hand. Einen Augenblick lang streichelte er über die blutverschmierte Haut, dann führte er die Hand zum Mund und biss mit einer schnellen Bewegung alle vier Finger bis zur Handfläche ab.
Frisches Blut schoss aus den Wunden und vermischte sich mit dem Blut im Sarg. Arkeley riss die Augen auf, ein wimmernder, katzenhafter Laut drang aus seiner Brust. Er schnappte nach Luft, aber der Atemzug stockte, als wäre er an etwas Zerbrochenem in seinem Inneren hängen geblieben, dann bewegte er die Lippen, als wollte er etwas sagen.
Scapegrace spuckte die abgetrennten Finger in Malverns Sarg. Sie versanken spurlos im Blut. »Was ist, Deputy? Raus damit.«
»Spuh«, ächzte Arkeley. Es klang wie zwei Blatt Papier, die man aneinander rieb. »Speh.«
»Special Deputy«, sagte Caxton für ihn. Auf dem kopfüber hängenden Gesicht des Feds erschien eine Art Lächeln, ein grauenerregendes Lächeln, aber ein Lächeln.
»Cax«, spuckte Arkeley. »Caxt… Sie. Knie.« Er nahm einen weiteren ächzenden Atemzug. »Müssen …« Er schien den Gedanken nicht zu Ende führen zu können.
Scapegrace gefiel das alles nicht. Er griff nach Arkeleys anderer Hand. »Hast du noch etwas zu sagen?«, fragte er. »Ein letztes aufmunterndes Wort für deine junge Freundin hier? Du hast sie im Stich gelassen, Alter. Sie wird sterben, du wirst sterben. Alle werden sterben. Du hast alle im Stich gelassen. Vielleicht möchtest du ja sagen, dass es dir leid tut. Mach schon. Flüstere es ihr ins Ohr. Wir werden hier alle geduldig darauf warten, dass du deine letzten Worte formulierst.«
Caxton trat an den Sarg heran und beugte sich vor. Ihre Krawatte tauchte in das Blut ein. »Jameson«, wisperte sie. Sie hatte seinen Vornamen noch nie zuvor ausgesprochen, und er klang seltsam aus ihrem Mund. »Bitte keine Entschuldigungen.«
»Knien«, sagte der Fed. Es war nicht gerade das, was sie erwartet hatte. »Knien Sie vor ihr nieder.«
Die Worte, allein die Vorstellung ließen sie zurückzucken. Sie suchte seinen Blick, um ihn wissen zu lassen, wie wütend sie darüber war, dass er sich einfach auf diese Weise ergab, dass er wollte, dass sie ihr Verderben mit offenen Armen empfing. Aber das Funkeln in seinen Augen passte nicht dazu. Darin lag eine gehörige Portion Trotz.
Er hatte sich nie zuvor geirrt.
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