Der letzte Vampir
Macht der Waffe halfen ihr, sich zu beruhigen, etwas leichter zu atmen.
»Ja!«, schrie sie, als sie den Finger durch den Abzugsbügel schob.
Der Sarg hörte auf, sich zu bewegen, mit einem plötzlichen Ruck, der ihr durch Mark und Bein ging. Einer der Halbtoten klopfte auf den Deckel. Die Stimme klang so nervenzehrend wie immer, als er fragte: »Alles okay da drinnen?«
Sie versuchte festzustellen, wo die Stimme herkam, wobei sie sich allein auf ihre Ohren verlassen konnte. Es war schwierig – die Akustik in dem Sarg war miserabel. Sie drückte den Pistolenlauf gegen den Sargdeckel.
Der Halbtote kicherte. »An deiner Stelle würde ich es mir bequem machen. Es ist ein langer Weg …«
Sie drückte den Abzug – und Licht und Hitze und Lärm erfüllten den Sarg mit einer Druckwelle, die ihr das Blut in die Ohren trieb. Sie war blind und taub, ihre Hände brannten, und sie begriff, welch schrecklichen Fehler sie begangen hatte. Was, wenn die Schockwelle der Explosion ihr das Trommelfell zerrissen hatte?
Langsam kehrte ihr Sehvermögen zurück. Ein schräger Strahl schwaches Sonnenlicht strömte durch ein beinahe perfektes Loch im Sargdeckel. Durch die Öffnung konnte sie den Himmel sehen, das Gelb der Maispflanzen. Ob sie den Halbtoten getroffen hatte, der sie verspottet hatte, vermochte sie nicht zu sagen.
Korditgestank füllte ihre Nase, und sie wollte würgen, die Pulverdämpfe nicht einatmen, aber ihr Körper wusste es besser als ihr Verstand. Er sog in tiefen Zügen den Sauerstoff ein, der durch das Kugelloch kam.
Lange Zeit geschah nichts. Der Sarg bewegte sich nicht. Sie hörte ihr Herz schlagen, aber es klang seltsam, dröhnender und langsamer, als sie erwartet hätte. Dann hörte sie endlich einen Laut, ein leises Zwitschern, einen Vogel, der irgendwo im Feld trällerte. Ihr Trommelfell war intakt.
Der Sarg setzte sich wieder in Bewegung, holperte und hüpfte über den Boden, schneller als je zuvor. Sie hielt sich so gut fest, wie sie konnte, schob die Waffe ins Holster und verkrallte die Hände in der Polsterung, um nicht herumgeschleudert zu werden. Die glatte Seide entglitt ihr immer wieder, und bald schmerzten ihre Finger von der ständigen Anstrengung.
Minuten vergingen, lange Minuten, die sie nur abschätzen konnte, indem sie langsam zählte. Einnns, zweiii, dreiii … Sie zählte bestimmt zu langsam oder zu schnell, aber ihr fiel keine andere Möglichkeit ein, die Zeit zu messen. Ihre Beine zuckten immer noch, entweder durch die Verletzungen an ihren Waden oder weil sie auf so engem Raum eingeklemmt waren. Sie wusste es nicht.
Nach einer Weile ergriffen die Halbtoten den Sarg und trugen sie. Sie bewegten sich nun langsamer, aber das störte Caxton nicht. Die Reise war jetzt wesentlich weniger holprig.
Dunkelheit schob sich über das Kugelloch im Deckel. Möglicherweise hatten sie die Öffnung mit einem Tuch verdeckt. Sie schob den kleinen Finger durch die Öffnung, achtete darauf, ihn nicht zu weit hindurchzuschieben, um den Halbtoten keine Gelegenheit zu geben, ihn zu packen und schreckliche Dinge damit anzustellen. Sie fühlte nichts außer kalter Luft. Sie versuchte es erneut und fühlte wieder nichts.
Plötzlich kippte der Sarg steil nach unten, und sie rutschte in die obere Hälfte, ihr Kopf wurde schmerzhaft zur Seite gedrückt. Sie strengte sich an, die Hände an den Schultern vorbei zu bekommen, sich oben abzustutzen, um den Druck von ihrem Nacken nehmen zu können.
Der Sarg hob und senkte sich. Dann noch einmal. Einen kurzen Augenblick lang geschah nichts, dann hob er sich – und senkte sich wieder. Sie begriff, was passierte. Das Kugelloch hatte sich verdunkelt, weil sie sich im Inneren eines Gebäudes befanden. Das Heben und Senken kam davon, dass die Halbtoten sie eine Treppe hinuntertrugen.
Sie versuchte, die Bewegungen zu zählen, kam aber bei jedem Ruck durcheinander. Es war ein langer Weg nach unten, und sie hatte jedes Zeitgefühl verloren. Es kam ihr vor, als schwebte sie im luftleeren Raum und würde dann von gewaltigen, geisterhaften Fingern umschlungen, die ihren Körper bei jeder weiteren Stufe brutal durchschüttelten.
Zuerst fiel ihr gar nicht auf, dass die Bewegung aufhörte. Die Halbtoten setzten sie ohne jede Vorankündigung ab, der Sarg knirschte auf einem Boden aus Stein oder Zement. Dann hörte sie ihre Schritte und deren Echo, immer leiser, während sie sich entfernten.
Stille trat ein.
Sie schlug wieder gegen den Sargdeckel, erhielt aber keine
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