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Der letzte Vampir

Der letzte Vampir

Titel: Der letzte Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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Antwort.
    »Hallo«, sagte sie, bereit, ihre quiekenden Stimmen zu ertragen, solange nur eine Antwort kam. »Hallo!«, rief sie, wollte, dass jemand mit ihr sprach, egal wer. Sicher, sie hatte auf sie geschossen, aber hätte sie das nicht provozieren müssen, sie noch mehr zu verhöhnen? »Hey, ihr Arschlöcher!«, schrie sie. »Hey, an alle gesichtslosen Scheißkerle da draußen, jemand soll etwas sagen!«
    Sie hörte ihr eigenes Echo, aber das war es auch schon.
    »Ihr könnt mich doch nicht einfach hier stehen lassen!«, schrie sie hysterisch. Aber sie wusste, dass sie es konnten. Und es gerade getan hatten.

36.
    Caxton schlief.
    Irgendwann hatte ihr Körper aufgegeben, die Stunden der Panik waren verebbt, jegliche Kräfte verbraucht und kleine Stücke Schlaf herangetrieben, eine dunkle Brandung an der Küste eines sonnenlosen Planeten. Ihr Atem war flacher geworden, die Augen waren in ihren Höhlen zurückgerollt. Sie war eingeschlafen.
    Falls sie in diesem dunklen Schlummer etwas geträumt hatte, konnte sie sich später nur noch an wenig erinnern. Da war das Gefühl gewesen, durch Dunkelheit zu stürzen, in freiem Fall durch unendlichen, lichtlosen Raum. Im Traum hatte es keine Furcht gegeben, aber als er endete, schrie sie, ihr Puls hämmerte. Ihre Augen flatterten, und sie war wach, lag stumm in dem gepolsterten Sarg. Sie räusperte sich und blinzelte und versuchte, den Ort, an dem sie war, mit erwachendem Leben in Einklang zu bringen. Es war nicht leicht.
    Ein kümmerlicher Lichtfinger drang durch das Kugelloch im Sargdeckel. Er war so blass und schwach, dass sie ihn zuerst für eine Halluzination hielt, aber er wurde stärker, während sie ihn beobachtete. Er tanzte von einer Seite zur anderen, und bald gesellte sich ein Laut dazu, ein sich wiederholendes Klatschen, plitsch platsch, plitsch platsch.
    Nackte Füße auf Stein. Und das Licht – es hatte die warme gelbe Farbe und die flackernde Bewegung einer Kerzenflamme.
    »Hallo«, hauchte sie, aber ihre Kehle war trocken, quälend trocken. Sie versuchte die Luftröhre freizubekommen, aber es wollte sich nichts lösen. Sie hustete ein paar Mal, und die Schritte hielten inne, und sie hielt den Atem an, wollte, dass sie zurückkehrten, voller Angst, sie würden sie in ihrem Sarg allein lassen, obwohl sie doch genau wusste, dass wer auch immer diesen Laut verursachte, was auch immer sich da näherte, kein Freund und auch kein Retter sein würde, sondern ein Monster.
    Die Füße näherten sich, das Licht wurde heller. Es neigte sich zur Seite und verharrte dann, als hätte der Besitzer der Füße es neben dem Sarg abgestellt. Caxton versuchte so ruhig wie möglich zu atmen.
    Der Sarg wackelte hin und her, als das unsichtbare Ungeheuer am Deckel riss. Es gab keinen Laut von sich, kein Grunzen und auch kein Ächzen. Die Nägel im Holz quietschten und rissen aus. Der Holzdeckel verschwand, Luft rauschte in den Sarg, selbst durch das erbärmliche Licht der Kerze musste Caxton die Augen zusammenkneifen. Vielleicht fünf Meter über ihr erhob sich die Decke, eine von massiven rechteckigen Pfeilern gehaltene Ziegelkuppel. Die Wände des Kellers wurden von Regalen gesäumt, die mit Krügen, Pappkartons und zusammengerollten Decken vollgestellt waren. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung, wo sie sich befand.
    Ein bleiches Gesicht schob sich in ihr Sichtfeld. Sie hatte auf einen Halbtoten gehofft, doch diese Hoffnung zerplatzte. Über sich sah sie den runden, haarlosen Kopf, die dreieckigen Ohren und das Gesicht von Efrain Reyes. Seine Augen waren dunkle Schlitze, leicht rötlich im flackernden Licht. Sein Mund war mit diesen Zähnen bestückt. Sie spürte, dass er gerade erst aufgewacht war, dass er noch immer halb schlief, genau wie sie. War die Nacht gerade hereingebrochen? Hatte sie einen ganzen Tag in dem Sarg gelegen, allein mit ihren Träumen?
    Reyes trug nur Stoffhosen. Seine Haut war schneeweiß, wies aber einen rötlichen Schimmer auf, der ihm ein fiebriges, ungesundes Aussehen verlieh. Er beugte sich herunter, bis sein Gesicht keine fünfundvierzig Zentimeter von ihrem entfernt war. Sie fühlte das gleiche Fehlen von Menschlichkeit oder Wärme, das sie in Justinia Malverns Nähe verspürt hatte. Diesmal überraschte es sie nicht.
    Er starrte ihr in die Augen. Sie wollte zur Seite schauen, aber er packte ihr Kinn und hielt sie fest. Es fühlte sich an, als wäre ihr Gesicht mit seiner Hand verschraubt worden. Sie würde niemals die Kraft aufbringen

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