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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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und schrillten scharf. Channel
Gardens, die Promenade, die zur Eisbahn des Rockefeller Center führte, war mit
Rauschgoldengeln geschmückt, Vorboten von Weihnachten.
    Jetzt war auch der Baum zu sehen. Eine
norwegische Fichte, so gewaltig, daß sie selbst ohne Lichter majestätisch
wirkte.
    »Können wir dem Gedränge nicht aus dem Weg
gehen?« fragte Wetzon, die sich ständig vom Menschengewimmel am Weitergehen
gehindert fand.
    »Trödle nicht!« rief Smith. Sie überquerte die
50. Straße und verschwand.
    Wetzon drängte sich durch die Menschenmenge zum
International Building, Fifth Avenue Nummer 630. Mitten im Gewühl der Touristen
schwebte Smith’ Kopf, als hätte sie keinen Körper. Wetzon blickte zu der
riesigen Skulptur des die Welt auf den Schultern tragenden Atlas empor, die die
Vorderfront des Gebäudes dominierte. Sie stöhnte: »Wohin führt sie mich nur,
etwa zu Arnold?« Laura Lee nannte das International Building immer »das mit
Arnold davor«. Arnold für Schwarzenegger. »Und warum sollte ich Lust haben
hinzugehen?«
    Endlich hatte sie begriffen, daß Smith sie in
Richard Hartmanns Anwaltskanzlei führte, von der aus man die Rockefeller Plaza
überblicken konnte.
    »Habe ich recht?« Sie wiederholte ihre
Vermutung, als sie Smith eingeholt hatte.
    »Mach dich nicht lächerlich«, fuhr Smith auf.
»Er ist nicht da. Bill Veeder hat mich persönlich zur Weihnachtsbaumparty
eingeladen, und ich sehe nicht ein, warum wir das nicht ausnutzen sollten.« Sie
zog Wetzon in die Halle. »Wann hast du zum letztenmal zugeschaut, wie der Baum
angezündet wurde?«
    »Persönlich? Noch nie. Immer nur am Fernseher.
Aber...«
    »Die Büros der Sozietät gehen alle zur Plaza
hin, und Bill Veeder ist ein sehr attraktiver Mann.«
    Wetzon stöhnte erneut. Sie spürte, wie sie unter
Smith’ Drängen weich wurde. Hol’s der Teufel, es war Weihnachten. Freude der
Welt, Friede auf Erden und Glück allen... Und außerdem war sie schon hier, und
Hartmann versteckte sich irgendwo. Sie kannte seine Partner in der Kanzlei
nicht einmal. Sie konnten doch nette, ehrliche Leute sein, oder etwa nicht?
»Okay«, sagte sie, »machen wir mit.«
    Sie zwängten sich in den Expreßaufzug mit einer
ganzen Horde von Menschen, darunter mehrere Kinder, arme Wichte, die sofort
unter den Mantelsäumen der Erwachsenen verschwanden. Smith langte an einer in
Zobel gehüllten blauhaarigen Frau vorbei, um auf 41 zu drücken. »Pardon«, sagte
sie mit französischem Akzent, während sie die ganze Zeit den Mantel taxierte.
Wetzon unterdrückte ihren Lachdrang, worauf Smith verächtlich die Lippen
schürzte. Vom dreizehnten Stock an stiegen auf jeder Etage Leute aus, und im
vierzigsten leerte sich der Aufzug vollständig.
    »Weißt du, Liebes«, sagte Smith, »du wirst
allmählich so richtig mäkelig. Das steht dir nicht. Es macht dich altjüngferlich,
und so etwas kannst du dir bei deinem Alter mit Sicherheit nicht leisten.«
Smith’ Augen zeigten wie immer, wenn sie Wetzon Ratschläge in Form von Kritik
zukommen ließ, jenes eigenartige entzückte Glitzern.
    »Du bist wirklich ein guter Kumpel«, sagte Wetzon,
während sie aus dem Aufzug stiegen.
    »Ich sage es nur zu deinem Besten...«
    Ein Weihnachtsgebinde hing an der Tür, die zum
Teil geöffnet war, so daß man kaum die Namen Hartmann, Veeder und Kalin, P. C.,
lesen konnte. Von drinnen drang Musik heraus, begleitet von Gelächter und den
hellen Stimmen von Kindern.
    Wetzon folgte Smith ins Festgetümmel.
    Eine Empfangsdame in rotem Kleid mit einem
Mieder aus weißen und silbernen Glöckchen über ihrem kolossalen Busen sprach in
ein Telefon und schlürfte Champagner. Sie strahlte Smith an und sagte:
»Fröhliche Weihnachten.«
    Wo nach Wetzons Erinnerung eine
menschenfressende Pflanze gestanden hatte, ragte jetzt eine Balsampappel auf,
die von unten bis oben geschmückt war. Die Empfangsdame legte das Telefon auf.
»Gehen Sie nur hinein, Mrs. Smith.« Sie zeigte auf die aus Glasbausteinen
gefertigte Tür, umrahmt von gebleichtem Nußbaum, die in die inneren Büros der
Anwaltsfirma führte.
    Sie betraten einen breiten, gekrümmten Flur. Im
Konferenzraum war eine Bar eingerichtet worden, und Sekretärinnen und
Mitarbeiter mischten sich unter Geschäftspartner.
    »Xenia!« Der Ruf kam von einem großen Mann mit
zerfurchtem Gesicht, scharfen blauen Augen und fast weißem Haar. Ein
Doppelgänger von Paul Newman. »Wie schön, Sie zu sehen. Fröhliche Weihnachten.«
Er küßte Smith erst auf die eine

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