Der letzte Vorhang
Wange, dann auf die andere.
»Bill, Sie liebenswerter Mensch«, sprudelte
Smith hervor. »Das ist meine Partnerin, Leslie Wetzon.«
»Willkommen, Leslie Wetzon. Willkommen. Herein
mit Ihnen, hängen Sie Ihre Mäntel auf und trinken Sie Champagner mit mir.« Bill
Veeders Worte waren herzlich, doch seine eisblauen Augen taxierten sie genau.
Er streckte seine Hand aus. »Herein mit Ihnen«, wiederholte er. »Heute ist
Feiertag. Friede und Wohlgefallen.«
Sie gab ihm die Hand. Sein Händedruck war fest
und trocken. Ein diskreter After-shave-Duft nach Wald und Wiese umgab ihn.
Veeder sagte: »Alle Fenster auf dieser Seite
gehen auf die Plaza. Kaviar gibt es dort drüben. Na, Sie kennen sich ja aus,
Xenia. Machen Sie es sich bequem.«
Sie hängten ihre Mäntel in den Dschungel aus
Pelzen und steuerten die Bar an, wo zwei Mitarbeiter freigebig Champagner in
schlanke Plastikgläser schenkten. Smith stellte sie Wetzon mit ihren Namen vor.
Wetzon ließ Smith mit den jungen Anwälten
flirten, nahm ein Glas Mineralwasser und begab sich gemächlich auf die Suche
nach dem Kaviar. Der Konferenztisch war mit einer Papierdecke gedeckt, auf der
die Reste von drei Riesenbrioches lagen. Eine erfinderische Person hatte jeden
in handliche Sandwiches aufgeschnitten, die gefüllt und wieder zur genauen Form
der Brioches zusammengesetzt worden waren. Sehr elegant. Die Sandwiches waren
mit Kaviar und Rahmkäse, mit Schinken und Mozzarella, mit Gorgonzola und
Chutney gefüllt. Eine Menge gutgekleideter Personen schlug zu, als kehrten sie
vom Langen Marsch zurück. Auf den Anrichten lagen Stapel von Nummern des Journal und juristischer Zeitschriften, dazwischen standen schmutzige Gläser und Teller
voller Krümel.
»Seien Sie nicht schüchtern«, sagte eine Stimme.
Bill Veeder berührte sie leicht am Ellbogen, nahm einen Pappteller von einem
Stapel und reichte ihn ihr.
»Oh, ich bin nicht schüchtern«, entgegnete
Wetzon. » Vorsichtig ist das richtige Wort, glaube ich. Ich studiere
immer erst die Lage, bevor ich abspringe.« Sie stellte ihr Mineralwasser zur
Seite und füllte den Teller mit kleinen Sandwiches, größtenteils mit Kaviar.
Sie liebte Kaviar.
»Sie trinken nichts?« fragte er.
»Ich trinke keinen Champagner.«
Er sah sie nachdenklich an, dann sagte er: »Kommen
Sie mit.« Immer mit der Hand an ihrem Ellbogen geleitete er sie aus dem
Konferenzraum und über den Flur, wo alle Türen offenstanden und die Büros
voller Menschen waren, die sich an den Fenstern drängten. Eine einzige Tür war
geschlossen. Er öffnete sie, schob sie hinein und schloß die Tür wieder.
Der Raum wirkte extrem männlich. Ein
maulwurfsgrauer Teppich mit flachem Flor und einem Muster aus winzigen braunen
Rauten bedeckte den Fußboden. Mahagonibücherschränke mit Glastüren, ein sehr schöner
breiter Stickley-Schreibtisch mit Messingbeschlägen, braune Ledersessel und ein
maulwurfsgraubraunes Sofa hinter einem Couchtisch mit Glasplatte füllten den
Raum. Die vertikalen Jalousien waren geöffnet.
»Sie haben mich entführt«, sagte sie, setzte den
Teller auf dem Couchtisch ab, auf Tom Clancys neustes Buch lag, nahm zwei
Kaviarsandwiches und trat essend vor das Fenster. Die Krümel fielen auf seinen
Teppich, aber das machte ihr nichts aus. Er las Tom Clancy, hm. Unten auf der
Plaza produzierten sich Schlittschuhläufer auf dem Eis.
Bill Veeder langte um sie herum und öffnete das
Fenster. Sein Duft benebelte sie. Sofort schwebten Choralstimmen zu ihnen
herauf. Fetzen von Weihnachtsliedern. »...Es ist ein Ros’...« und »Stille
Nacht, heilige...«
Hinter sich hörte sie Eis gegen Glas klirren.
Als sie sich umdrehte, sah sie, daß er zwei Gläser hielt. Eines gab er ihr.
»Ich dachte, vielleicht hätten Sie Lust auf einen ganz besonderen, einmaligen
Malt«, sagte er.
»Gern.«
Er stieß mit ihr an. »Auf Ihr Wohl, Leslie
Wetzon.«
Sie fröstelte plötzlich. »Und das Ihre, Bill
Veeder.« Sie nahm einen Schluck, nachdem er getrunken hatte — man durfte nicht
unvorsichtig sein im feindlichen Lager behielt ihn einen Augenblick im Mund und
schluckte dann. Es war der beste Whiskey, den sie jemals gekostet hatte.
Das Singen hatte aufgehört, irgend jemand
redete.
Ein diskreter Ton, fast unhörbar, kam vom
Telefon. Veeder nahm ab. »Ja.« Er schob die Umschlagmanschette ein wenig hoch
und warf einen Blick auf seine Piaget. »Ja«, sagte er noch einmal und musterte
Wetzon dabei, als wäre sie ein Puzzle, das er zerlegen und dann wieder
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