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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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kann.«
    »Rechne nicht damit, Häschen.«
    »Nein? Na ja, glaub nicht, daß ich es bei der
nächsten Sitzung nicht zur Sprache bringe.«
     
    »Los, komm«, sagte Terri.
    »Wir haben nicht mal eine Stunde.« Leslie
Wetzon, die junge Tänzerin, zog die Füße aus den Stepschuhen und bewegte sie,
dann zog sie ihre Turnschuhe an.
    »Es ist doch ganz in der Nähe.« Terri nahm ihre
Hand, und sie rannten die drei Treppen zum Bühnenausgang hinunter.
    Regenwände, vom Wind wie Laken an einer
Wäscheleine gebläht, fegten über die Tremont Street. So stark regnete es nur in
Boston, viel häufiger als überall sonst, wenigstens erschien es Leslie so, die
Boston von zwei Premieren kannte, beide mit Tourneetheatern. Combinations würde ihre dritte sein und die erste, die danach an den Broadway gehen sollte.
    Sie hatten zehn Stunden hintereinander geprobt
und nur zu den von der Gewerkschaft geforderten Pausen unterbrochen. Die
Technikprobe hatte sich endlos hingezogen, bis alle — Darsteller, Autoren,
Produktionsmannschaft, selbst die Bühnenarbeiter — vor Müdigkeit doppelt sahen.
Die Stimmung war gefährlich gereizt. JoJo und Rog Battle wären sich beinahe in
die Haare geraten, weil JoJo den Einsatz zum Singen immer wieder im falschen
Moment gab und dadurch eine komische Stelle verdarb. Es war JoJos erste Show
als Dirigent und musikalischer Direktor; als seine Mentorin fungierte Foxy
Reynard, die Komponistin und Songdichterin. Keine schlechte Mentorin für einen
Korrepetitor. Foxy hatte JoJo bei ihrer letzten Show auf seinem Motorrad entdeckt
— er sah aus wie einer von den Hell’s Angels, mit Tätowierungen und allem — und
ihn der Vergessenheit entrissen. Die beiden hätten was miteinander, sagte
Carlos.
    Überraschung, Überraschung: Foxy stellte sich bei
der Kabbelei zwischen JoJo und Rog auf JoJos Seite. Davey, dieser einmalige
Regisseur, der nie müde oder nervös zu werden schien, war herbeigeeilt und
hatte eine Pause angesagt. Deshalb standen Leslie und Terri an der Bühnentür,
am hinteren Ende der wilden Jagd der Darsteller vom Theater in die umliegenden
Speiselokale. Die langen Stunden und die Anspannung regte den Appetit der
Akteure stets an.
    In Ohio geboren und aufgewachsen, umgab Terri
Matthews jenes goldene Leuchten, mit dem manche glücklichen Blondinen geboren
werden und von dem sie, was ein noch größeres Glück war, auch als Erwachsene
umgeben sind. Es schien, als leuchte ein helles Licht unter ihrer porenlosen
Haut. Ihre Stupsnase war mit winzigen Sommersprossen gesprenkelt; sie wirkte
frisch und hübsch und auf eigenartige Weise sexy. Leslie hatte JoJos Blicke des
öfteren zu Terri schweifen sehen, aber es war nichts passiert, wenigstens
soweit Leslie das wußte.
    Sie rannten durch überflutete Straßen und
sprangen wie Gazellen über Pfützen, freigelassene Tänzerinnen eben. Bis auf die
Haut durchnäßt und lachend kamen sie zu Filene’s und drängten sich an den
Kunden vorbei, die sich unter der Markise an der Washington Street gestellt
hatten, um trocken zu bleiben. Ohne Aufenthalt steuerten sie das Untergeschoß
an.
    Nach einer schnellen Tour durch die Garage
begannen sie, die Kleiderständer zu durchkämmen, hielten sich Kleider an Bügeln
vor die Körper und warteten auf den Kommentar der anderen. Terri fand ein
Kostüm aus elfenbeinfarbener Seide, sehr körpernah geschnitten, und probierte
die Jacke über dem Trikot an.
    »Was meinst du?« wollte sie wissen.
    Leslie hielt den Kopf schräg. »Sehr schön. Aber
elfenbeinfarben? Ich hätte nie den Mumm, so etwas zu tragen.«
    Terri lächelte sie wehmütig an. »Ich sage nie
mehr nie. Außerdem habe ich vielleicht einen besonderen Anlaß, es anzuziehen.«
    »Was, du und Peter, habt ihr beschlossen...?«
Peter Koenig war Schauspieler und Terris beständigster Freund.
    Terri sagte nicht mehr, machte aber eine
geheimnisvolle Miene.
    Mit nur einem Abstecher, um sich Hamburger und
Cola zu kaufen, rannten sie zur Probe zurück, Terri mit ihrem elfenbeinfarbenen
Kostüm, Leslie mit einem budgetsprengenden Chanelkostüm — das einen kleinen Riß
im Futter hatte — im gleichen Magentarot wie das Logo von Combinations.
    An der Bühnentür des Shubert schaute Terri sie
strahlend an und sagte: »Gott, war das lustig, was?«
     
    Tränen strömten über Wetzons Wangen. »Ja, es war
lustig, Terri«, murmelte sie. »Verdammt lustig.« Combinations war von
den Kritikern bejubelt worden; sie waren zusammen durch dick und dünn gegangen,
die ganze Truppe.

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