Der letzte Vorhang
bedachte
ihren Geliebten mit einem, wie sie hoffte, geheimnisvollen Blick. Vielleicht
würde auch ich gern den Nachmittag mit dir und Rita verbringen. Aber sie sagte
nichts.
»Wann findet das Ereignis statt?« fragte Nina.
Sie versuchte, zwischen den Zeilen zu lesen und schien sich nicht ganz sicher,
wie sie Vorgehen sollte. »Und was trägt man dort?« Im Zweifelsfall sprich über
Kleider.
»Am frühen Nachmittag — es sei denn, Sie wollen
die Kinder erleben. Mort wohnt im Majestic an der 72. und Central Park West.
Sie haben vom zweiundzwanzigsten Stock einen herrlichen Blick auf den Thanksgiving-Umzug,
den Macy’s veranstaltet. Dann gehen die Kindermädchen mit den Klienten nach
Hause zum Truthahnessen, und die Eltern bleiben da zur eigentlichen Party.« Sie
rückte von Silvestri ab. Er verdiente ihren Schenkel nicht. »Was die Kleidung
betrifft, geht alles, sogar Jeans. Der Gastgeber tritt unter Garantie in
gutgebügelten Jeans und einem blauen Cashmerepullover auf.«
Als nichts mehr auf den Tellern übrig war,
verlangte Silvestri die Rechnung. Wetzon Und Nina zogen die Mäntel an und
gingen auf die Tür zu, während Silvestri die Rechnung bezahlte.
»Leslie?« rief jemand aus einer anderen Nische,
und eine grobknochige Frau mit kinnlangem backsteinrotem Haar winkte Wetzon zu.
»Louie!« Wetzon schien sich echt zu freuen.
Louie ließ ihre Begleiter allein: einen Mann mit
Ringen in den Ohren und rasiertem Kopf, und einen anderen im Nadelstreifenanzug
und blaugestreiften Hemd. Der zweite mußte Rechtsanwalt sein, dachte Wetzon.
Die Leute an der Wall Street trugen zu ihren Nadelstreifen weiße Hemden.
»Louie, das ist großartig.« Wetzon umarmte
Louise Armstrong, ihre Bauunternehmerin. Louie hatte Wetzons Wohnung renoviert
und war eine Freundin geworden. »Wir haben uns viel zu lange nicht gesehen.«
»Ja, wirklich, Leslie. Du siehst wunderbar aus,
wie immer.« Louie trug abgetragene, mit Farbe bespritzte Jeans, die in
Cowboystiefeln steckten, und ein grünkariertes Flanellhemd.
Hinter sich hörte Wetzon ein leises Räuspern.
Nina.
»Oh, tut mir leid.« Wetzon trat zur Seite, um
Nina einzubeziehen. »Das ist Nina Wayne. Nina, das ist meine Freundin Louie
Armstrong, eine hervorragende Künstlerin. Von ihr stammt das Bild in meinem
Wohnzimmer, das Ihnen so gut gefallen hat. Und sie ist die beste
Bauunternehmerin aller Zeiten.«
Einen winzigen Augenblick lang zuckten Ninas
Augen. Die Zurückhaltung, die Wetzon bei Nina allmählich als selbstverständlich
nahm, veränderte sich. Nina streckte die Hand aus, und Louie nahm sie.
Plötzlich fühlte sich Wetzon als fünftes Rad am Wagen.
»Nett, Sie kennenzulernen, Nina«, sagte Louie. Ihre
Sommersprossen hoben sich kräftig von ihrem normalerweise frischen Teint ab.
»Ich könnte eine Bauunternehmerin gebrauchen«,
sagte Nina.
Louie zog eine Karte aus ihrer Hemdtasche und
gab sie Nina.
Während Wetzon zuschaute, schienen die beiden
vergessen zu haben, daß sie da war. Es schien, als ob sie einen langsamen
Walzer miteinander tanzten, aber keine hatte sich bewegt. Dann tauchte
Silvestri hinter ihnen auf, und der Augenblick war vorbei.
Wetzon hatte es oft genug geschehen sehen, diese
plötzliche Magie. Sie hatte es gesehen... es erinnerte sie... sie schloß die
Augen... Ja! Einen Moment wie diesen hatte sie vor all den Jahren am ersten
Probentag für Combinations miterlebt.
Bei Terri Matthews und Rog Battle.
MEMORANDUM
An: Carlos Prince und Leslie Wetzon
Von: Nancy Stein, Assistentin von Mort Hornberg
Datum: 22. November 1994
Betr.: Combinations in concert
Wir haben unsere Versicherungspolice zum Preis
von 250 Dollar um eine Requisitenpauschale erweitert, die Beleuchtung und
Tontechnik sowie allgemeine Haftpflicht einschließt.
Die Nederlanders werden auch für jeden auf ihrer
Lohnliste (Leute vom Verband, nicht auf und hinter der Bühne etc.) eine
Unfallversicherung abschließen. Gemäß Vertrag sind wir (als Vertreter von Show
Biz Shares) für alles Personal verantwortlich, das mit dem Ereignis zu tun hat
und nicht ständig im Dienst des Richard Rodgers Theatre steht.
Georgie Buckmeister (Ton) und Angelo Iannatta
(Beleuchtung) bekommen je zwei Karten für die Freitagsvorstellung.
26. Kapitel
Sie setzten Nina an der Schnellbahn nach New
Jersey an der 9. Straße ab und fuhren nach Norden. Es hatte leicht geschauert,
während sie im John’s saßen, und nun glitzerten die Straßen, wenn Licht auf sie
fiel, wie ein
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