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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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einige teilweise bereits
gefüllte. Ein großer weißer Lastwagen pumpte Helium und damit Leben in Woody
Woodpecker. Barney wartete, bis er an die Reihe kam. Die Katze im Hut lag wie
ein Ungeheuer auf der Seite, halb angefüllt mit Helium, aber noch nicht bereit
abzuheben. Arbeiter in orangefarbenen Schutzanzügen befestigten Netze,
überwachten den Aufpumpvorgang, hielten Seile.
    Alles in allem die jährliche Vorbereitung auf
Macy’s Thanksgiving-Parade.
    »Sie dürfen auf dieser Straße nicht stehenbleiben
und zuschauen!« schrie jemand, aber alle taten es, bewegten die Füße nur, um so
zu tun, als gingen sie weiter. Kinder, Hunde, Spaziergänger, Privatdetektive,
Polizisten in Uniform, Sicherheitsbeamte, Hilfspolizisten, Rollschuhfahrer
wogten hin und her vor den eleganten Apartmenthäusern. Unternehmerisch
inspirierte Jugendliche aus diesen Gebäuden verkauften Kaffee aus großen Kannen
und selbstgebackene Plätzchen, und die Leute griffen zu. In den oberen
Stockwerken waren die Fenster voller Menschen, die im Warmen blieben, aber die
beste Aussicht der ganzen Stadt genossen.
    Woody Woodpecker hob seinen Kopf vor ihr. Die
Menge auf der anderen Straßenseite jubelte. Und dann kam mühsam der Hund namens
Beethoven auf die Beine. Irgendwie hatte sie Silvestri verloren und Beethoven
gefunden.
    Ihre Nase war taub vor Kälte; sie schützte sich
mit der behandschuhten Hand und schaute sich nach Silvestri um. Inzwischen war
sie schon fast zur Central Park West und zum Beresford geschlendert, dem
vornehmen Eckgebäude, wo Alton Pinkus wohnte. Niemand hatte sie aufgehalten.
Alle konzentrierten sich auf den Bürgermeister, der eine rote Kappe von Macy’s
trug und bei seiner Frau stand, während ihre anspruchsvollen Sprößlinge wieder
zu Kindern wurden und die riesigen Ballons anstarrten.
    Sie begann zurückzugehen, indem sie sich nahe
der Häuserwände auf der Nordseite hielt, um niemanden zu behindern. Das
Hayden-Planetarium auf der anderen Seite machte hinter der dichten
Menschenmenge einen unwirklichen Eindruck mit seiner leuchtenden Kuppel als
Hintergrund für die tanzenden Figuren.
    Die riesigen Geschöpfe schwebten hoch über ihr
vor dem schwarzen Himmel und warfen, vom Wind bewegt, gespenstische Schatten
auf die Gebäude. Seltsam bedrohlich.
    Ihr Puls raste in der Kehle. Sie fröstelte und
suchte nach der vertrauten Haltung von Silvestris Schultern. Wo war er? Sie
hatte angenommen, er ginge direkt hinter ihr. Mit dem Rücken an den kalten
Stein eines Hauses gelehnt, fühlte sie sich verwirrt. Zwei Dosen Bier. Wie kann
man von zwei Dosen Bier die Orientierung verlieren? fragte sie sich.
    »Prachtvoll, nicht wahr?«
    Ein nett aussehender Mann stand neben ihr, als
wäre er vom Himmel gefallen. Er trug eine hellbraune Wildlederjacke, eine gute
Khakihose und verzierte Cowboystiefel. Sein blondes Haar war weiß an den
Schläfen. Etwas an ihm erschien ihr vertraut, und doch hatte sie ihn noch nie
gesehen.
    »Prachtvoll«, stimmte sie zu, während sie die
Hände tief in den Taschen vergrub. Er mußte aus einem der Häuser gekommen sein,
dachte sie, während sie zur Absperrung zurückschaute und Silvestri suchte.
    »Darf ich Ihnen einen kleinen Rat geben?« sagte
der Fremde. Er lächelte mit geschlossenen Lippen, als wollte er irgendein
Zahnproblem verbergen. Seine Augen fingen das Licht auf, blickten irgendwie wild.
    »Ich — was...?« Sie bewegte sich bereits von ihm
weg, folgte ihrem Gefühl. War er im Begriff, seinen Hosenschlitz aufzumachen
und sich zu entblößen?
    Dennoch war sie überrascht, als er sie einholte.
Beinahe berührte er sie mit seiner Wange; sein Rasierwasser roch widerlich.
»Sagen Sie nicht aus«, zischte er.
    Wetzon rammte ihren Ellenbogen mit aller Kraft
in seine Rippen und hörte ihn fauchen: »Hexe!« Dann stieß er sie, und sie
stolperte rückwärts.
    »Sieh mal, was der Mann gemacht hat, Mama«,
sagte ein Kind.
    »Ich habe es auch gesehen«, meinte jemand
anderes. »Die Leute sind heutzutage schrecklich grob.«
    Eine ältere Frau fragte: »Was ist passiert? Geht
es Ihnen gut?«
    »Ja, danke«, sagte Wetzon und schaute sich nach
dem Mann um. Aber alles, was sie sah, war die mächtige Gestalt Barneys, des
purpurroten Dinosauriers, der zu ihr herablächelte.

MEMORANDUM
    An: Carlos Prince und Leslie Wetzon
    Von: Ed Venderose, Generalintendant
    Datum: 22. November 1994
    Betr.: Combinations in concert
     
    Sorgt bitte dafür, daß ich alle
Kartenbestellungen für beide Vorstellungen bis 10.

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