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Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Sternenteppich. Das hatte etwas mit dem zermahlenen Glas zu tun,
das unter den Straßenbelag gemischt wurde, um ihn härter zu machen.
    Es fand kein Gespräch im Auto statt, da sie und
Silvestri ihre kleinen Barrikaden aufbauten.
    Als sie hinter dem Lincoln Center vorbeifuhren,
brach Wetzon endlich das Schweigen. »Möchtest du, daß ich ein Mikrophon trage,
Silvestri?«
    »Natürlich nicht.« Er hörte sich verärgert an.
»Les, es ist höchst unwahrscheinlich, daß wir den Täter nach siebzehn Jahren
finden, aber wenn einer, den Terri kannte, sie tötete, und das wird mit jedem
Tag wahrscheinlicher, besteht eine Chance, daß wir den Kerl in die Enge treiben
und zu einem Geständnis zwingen können.«
    »Den Kerl, Silvestri? Könnte es keine
Frau getan haben?«
    »Möglich ist es. Schußwaffen sind da große
Gleichmacher. Terri war allerdings kein Winzling. Für eine kleine Frau wäre es
nicht leicht gewesen, sie in diesen Koffer zu schaffen. Wenigstens nicht ohne
Hilfe.«
    »Damit sind ich und Foxy wohl draußen, aber was
ist mit Medora oder Poppy?«
    »Sieh zu, was du morgen in Erfahrung bringen
kannst.« Gerade fuhr ein Auto gegenüber von Wetzons Haus weg, und Silvestri
parkte rückwärts in die freigewordene Lücke ein, schaltete die Scheinwerfer aus
und steckte den Schlüssel in die Tasche.
    »Kommst du mit nach oben?«
    »Möchtest du?«
    »Zier dich nicht so, Silvestri. Verdammt.«
    »Machen wir einen Spaziergang.« Er stieg aus dem
Auto und schloß es ab.
    »Einen Spaziergang? Wohin?« Sie fühlte sich wie
ein Stachelschwein, mit starrenden Borsten. Er hatte es einmal mehr geschafft,
nicht mit ihr zu Morts Party zu gehen.
    »Bloß ein Stück die Columbus runter.« Er legte
einen Arm um ihre Schulter und zog sie mit. »Komm schon, Les. Sei kein
Spielverderber. Ich möchte dir nur was zeigen. Es wird dir gefallen, das
verspreche ich.« Beim Reden bildeten sich kleine feuchte Wölkchen.
    Der Wind wehte winterlich frostig. Über ihnen
war der Halbmond gerade noch sichtbar, und Sterne blinzelten vom unendlichen
Himmelsgewölbe. Es war eine wunderschöne Nacht. Oder hätte zumindest eine sein
können, wenn sie nicht so stocksauer gewesen wäre.
    Auf der Columbus staute sich der Verkehr
Stoßstange an Stoßstange; Scheinwerfer, deren Strahlen sich mit dem Lampenlicht
mischten, tauchten die Bürgersteige in eine beinahe grelle, festliche
Beleuchtung. Gedämpfter Lärm drang aus den hell erleuchteten Restaurants. Der
Geruch von brennenden Holzscheiten erfüllte die Luft. Jeder, der glücklicher
Besitzer eines Kamins war, benutzte ihn an diesem Abend. Aber auf den
Bürgersteigen drängten sich die Menschen, Eltern mit Kindern in Sportwagen oder
auf den Schultern sitzend, alle in Wintersachen gepackt, alle in Richtung
Stadtmitte unterwegs. Vor Dalton’s Coffee-shop an der 83. Street stand eine
Menschentraube, in den Händen Pappbecher, die das ganze Angebot vom
Koffeinfreien bis zum doppelten Espresso enthielten.
    Die West Side war an diesem Vorabend von
Thanksgiving brechend voll, als wäre niemand über den Feiertag weggefahren.
Und, dachte sie, wer würde diesen wunderbaren Ort auch jemals verlassen wollen?
Gewiß nicht Leslie Wetzon. Die Stadt lag ihr im Blut.
    Der Himmel war schwarz, und überall standen
Polizeiwagen herum. Sie wußte, wohin er sie führte.
    Als sie sich dem Park um das Museum of Natural
History näherten, fingen die Straßenlampen die Reste des goldenen Laubs ein,
die wie gefiederte Kronen eine Reihe von Kastanienbäumen zierten, deren Stämme
gespenstisch schimmerten wie eine Chorusline uralter Schenkelknochen. Nackte
Aste ragten zum Himmel. Sie fröstelte in ihrem warmen Mantel.
    Eine endlose Autoschlange wälzte sich die
Columbus hinunter, obwohl die meisten, die über den Feiertag wegfahren wollten,
die Stadt bereits verlassen hatten. Die 81. Straße war mit Holzböcken
abgesperrt. Zwei uniformierte Polizisten vom 20. Revier beobachteten die anschwellende
Menge. »Drüben auf der Südseite können Sie stehenbleiben und zuschauen«,
versuchte der eine Polizist die Leute zu dirigieren. »Auf dieser Straßenseite
müssen Sie weitergehen.«
    »He, Silvestri!« rief der andere Beamte und
bedeutete ihnen, um die Absperrung herumzukommen.
    Eine Blaskapelle spielte ihr Humtata, daß einem
die Trommelfelle weh taten.
    Auf der 81. Straße zwischen Columbus und Central
Park West lagen ausgebreitet einige riesige, ungefüllte Ballonhüllen — an den
Streifen konnte man Kater Garfield erkennen — und

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