Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Vorhang

Der letzte Vorhang

Titel: Der letzte Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
müßte zuschauen — , während der andere Joel mit einer riesigen
Taschenlampe schlug und ihn dann, als er blutüberströmt auf dem Bürgersteig
lag, immer wieder trat.« Sie unterdrückte einen Schluchzlaut. »Er hat sich in
die Hose gemacht.«
    »Joel?«
    Sie nickte. »Mein Portier hat die Polizei
angerufen. Der eine, der Joel trat, hat so etwas gesagt wie: >Das bekommst
du, wenn du dich am Eigentum eines andern vergehst.<«
    »Du lieber Gott, du bist das Eigentum eines
andern? Wie konnte dir das passieren, Smith?«
    »Ich habe versucht, Schluß zu machen...«
    »Und ich sehe, was du bekommen hast.« Wetzon
reichte ihr ein Taschentuch, und Smith tupfte sich die Backen trocken.
»Vermutlich ist Hartmann auf seine eigene verbogene Art und Weise wahnsinnig in
dich verliebt.«
    Smith wandte ihr den Kopf zu, so daß ihr
verdunkelter Blick direkt dem Wetzons begegnete. »Das sind sie alle, wie du
weißt, Zuckerstück. Aber keiner hat sich deshalb jemals so brutal verhalten.«
    Wetzon versuchte, nicht zu lachen. Das war
wirklich typisch für Smith. »Smith«, sagte sie, »du mußt zugeben, daß du dich
auch deshalb zu Hartmann hingezogen fühltest, weil er gefährlich ist. Und
unberechenbar.«
    »Anders als Twoey«, murmelte Smith. »Twoey war
alles in allem zu berechenbar. Bis er von der Wall Street zum Theater
wechselte.«
    Wetzon warf einen Seitenblick auf Smith. Was
hatte sie im Sinn? »Ich habe immer gesagt, daß Twoey etwas Besonderes ist.«
    Smith stand auf und schüttelte ihren Nerz aus.
»Ich sollte Mark anrufen. Er ist mit April irgendwohin gegangen, um warmes
Essen an Obdachlose auszugeben, aber inzwischen müßte er zu Hause sein.«
    »Du hast einen wunderbaren Jungen großgezogen.«
    »Leider habe ich einen sozial eingestellten
Träumer großgezogen.« Sie reichte Wetzon die Hand und zog sie auf die Beine.
»Du bist wirklich eine gute Freundin, und ich habe Dick Tracy wohl ein wenig
ungerecht behandelt. Als ich anrief, zögerte er keine Sekunde. Er sagte
einfach, ihr zwei würdet sofort rüberkommen.« Sie kramte in ihren
Manteltaschen. »Hast du Kleingeld?«
    Wetzon gab ihr einen Vierteldollar. Vielleicht
lernte Smith Demut, auf die harte Art, dachte sie. Aber schließlich machte
Smith immer alles auf die harte Art.
    Sie vertauschten die Stille des Flurs mit der
Notaufnahme, wo es, wenn das möglich war, inzwischen noch turbulenter zuging.
Ein Kind schrie: »Maa-mi, Maa-mi!«, immer wieder. Im Wartebereich gab es keine
freien Plätze.
    Eine vulgäre junge Schwarze mit zehn Zentimeter
hohen Plateaustiefeln und Ringen unterschiedlicher Größe durch einen
Nasenflügel schrie und fluchte in das einzige funktionierende Telefon. Aus
einer häßlichen Schnittwunde an ihrer nackten Schulter lief Blut über ihren
Arm. Ihre krausen Locken waren gelb gebleicht.
    »Puh«, sagte Smith laut, indem sie mit
verschränkten Armen auf die Frau starrte. »Die lassen wohl alles rein. Ich
dachte, das wäre eine Privatkli...«
    Die Frau zerrte einmal kräftig und riß den Telefonhörer
aus dem Gehäuse. Mit erschreckender Schnelligkeit ging sie auf Smith los, wobei
sie den Hörer wie eine Keule schwang. Smith schrie auf, während Wetzon sie
beiseite zerrte. In dem folgenden Tohuwabohu schrien alle durcheinander, bis
ein Wachmann mit Gummihandschuhen den Arm der Frau umklammerte, sie zwang, den
Hörer fallen zu lassen, und eine Krankenschwester ihr eine Spritze gab. Noch
als sie außer Sicht geschleppt wurde, schleuderte sie Flüche nach Smith.
    Du meine Güte, dachte Wetzon, wie viele Male
schon hatte Smith sie nahe daran gebracht, das gleiche zu tun?
    »Ich muß hier raus«, sagte Smith mit entnervter
Stimme, während sie den Telefonhörer aus dem Weg kickte.
    Wetzon berührte Smith am Ellbogen. »Gehen wir an
die frische Luft. Silvestri muß jeden Augenblick wieder hier sein.«
    Smith widersprach nicht. Sie sagte: »Ich könnte
eine Zigarette gebrauchen.«
    »Du rauchst doch gar nicht.«
    »Na und, hat das was zu sagen?«
    Die kalte Luft wirkte wie ein lindernder
Umschlag auf sie; ihre Atemwölkchen stiegen immer langsamer in die Nachtluft.
Eine Ambulanz fuhr mit Blaulicht und heulender Sirene vor den Eingang der
Notaufnahme. Nun unbeteiligt sahen sie zu, wie erneut hektische Betriebsamkeit
begann, als der Patient aus der Ambulanz in die Notaufnahme gebracht wurde.
    »Les?« Silvestri stand an der Tür. »Xenia, Joel
mußte operiert werden. Sie mußten einen Facharzt für plastische Chirurgie für
sein Gesicht

Weitere Kostenlose Bücher