Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Englisch ist doch sonst nicht gerade deine Stärke.«
»Ich hab eben gelernt, Papa. Aber du kriegst so was ja gar nicht mit, weil du immer nur arbeitest.« Es klang enttäuscht und auch ein wenig vorwurfsvoll. Erneut rührte sich bei LaBréa das schlechte Gewissen.
»Was soll ich denn machen, Jenny? In meinem Beruf gibt es nun mal keine geregelten Arbeitszeiten.«
Jenny stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Ich weiß. Soll ich irgendwas zum Essen einkaufen, Papa?«
»Nicht notwendig, Cherie. Ich sagte doch, wir gehen heute Abend essen. Ins Gamin de Paris.«
»Oh, super! Hoffentlich haben sie als Nachtisch diese tolle Apfeltarte.«
»Bestimmt. Die haben sie doch immer. Onkel Richard kommt auch dazu. Er hat seinen Urlaub abgebrochen, weil Großmama gestorben ist.«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still. Dann fragte Jenny mit leiser Stimme: »Papa, muss ich auch mit zur Beerdigung?«
LaBréa wusste, warum seine Tochter diese Frage stellte. Jenny hatte Angst, dass beim Begräbnis ihrer Großmutter Erinnerungen an die Beerdigung ihrer Mutter vor einem Jahr in Marseille aufsteigen könnten. Dennoch sagte er: »Ich denke schon, dass du mitgehen solltest, Jenny. Sie war deine Großmutter, und du warst ihr einziges Enkelkind. Auch nach dem Tod zollt man einem Menschen, den man gekannt und auch geliebt hat, Respekt. Selbst wenn du kaum Kontakt zu Großmama hattest.«
»Ich wollte ja bloß mal fragen«, erwiderte Jenny kleinlaut. »Also dann, bis heute Abend! Und sag bloß nicht wieder ab, weil dir irgendwas dazwischenkommt!«
»Keine Angst, mein Schatz, das Essen mit euch hat heute absoluten Vorrang. Außerdem bekommst du ja noch deine zehn Euro für die gute Englischnote.«
Kaum hatte die Talkrunde in LaBréas Büro begonnen, rauschte Direktor Thibon herein. Wie immer hielt er es nicht für nötig anzuklopfen. Er schien aufs Höchste aufgebracht, was niemanden im Raum wunderte, da Roland Thibon als Choleriker galt. Schon sein bloßes Erscheinen versetzte LaBréa und seine Leute in Alarmbereitschaft. Selten verliefen die Gespräche sachlich und aufs Wesentliche bezogen.
»Was haben Sie sich dabei gedacht, LaBrea?«, begann Thibon ohne Umschweife. »Eben traf ich Couperin unten auf dem Parkplatz. Und ich musste mir von ihm anhören, dass dieser Mordfall an der alten Dame weite Kreise zieht und der Täter noch mehrere andere Opfer auf dem Gewissen hat!««
»Nicht mehrere, Monsieur le Directeur, sondern eins. Ein Fall aus dem Jahr 2003.«
»Wieso erfahre ich das erst jetzt? Und aus dem Mund des Ermittlungsrichters und nicht von Ihnen?«
LaBréa ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Ich hatte mittags in Ihrem Büro angerufen, und Ihre Sekretärin...«
Thibon unterbrach ihn wütend.
»Was glauben Sie, wie peinlich mir das vor Couperin gewesen ist! Der wird jetzt wieder überall herumerzählen,
dass meine Leute mir systematisch Informationen vorenthalten.«
»Davon kann keine Rede sein, Monsieur! Ich...« Weiter kam LaBréa nicht.
»Halten Sie den Mund! Couperin muss von mir denken, dass ich meinen Laden nicht in Ordnung halte!«
Jeder im Polizeipräsidium und im Justizpalast wusste von der Intimfeindschaft zwischen Ermittlungsrichter Couperin und Direktor Thibon. In der Vergangenheit hatte Thibon bereits mehrfach versucht, Couperins Versetzung in die Provinz zu lancieren. Doch der Gerichtspräsident, ein Mann mit Prinzipien und klarem Urteilsvermögen, hatte diese Pläne stets vereitelt. Er schätzte Couperins Arbeit, von Thibon hielt er dagegen nicht allzu viel. Auch das war allgemein bekannt.
»Sie hätten mich übers Handy anrufen können, LaBrea«, wetterte Thibon weiter. »Um mich zu informieren. Dann hätte ich vor Couperin nicht wie ein dummer Junge dagestanden und mir sein blödes Grinsen ansehen müssen!«
Allmählich kroch die Wut in LaBréa hoch. Wie er es machte, war es verkehrt. Das alte Spiel zwischen Thibon und ihm. Das LaBréas Vorgesetzter zwangsläufig immer gewann. Informierte LaBréa ihn in einem frühen Stadium über den Stand der Ermittlungen, war es meistens zum falschen Zeitpunkt. Tat er es nicht, fühlte Thibon sich übergangen und veranstaltete ein Riesentheater.
»Ich erstatte Ihnen gern ausführlich Bericht, Monsieur, wenn Sie es wünschen.«
»Was heißt ›wenn Sie es wünschen‹?! Das ist schließlich Ihre verdammte Pflicht! Kommen Sie in einer halben Stunde in mein Büro. Aber pünktlich! Denn Pünktlichkeit ist eine Tugend, die ich sehr schätze, LaBrea. Auch wenn
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