Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
der Franco-Kolumbianerin unterschrieben. LaBréa blieb einen Moment stehen und betrachtete das schmale Gesicht der Frau. Als er weiterging, schienen ihre Augen ihm zu folgen.
Eine Stunde später betrat er mit Celine und Jenny das Gamin de Paris, wo ihn die Wirtin mit Handschlag begrüßte und sie an einen Tisch am Fenster führte, den sein Bruder reserviert hatte. Kurz darauf gesellte sich
Richard zu ihnen. Er sah erholt aus und war braungebrannt, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass der Tod seiner Mutter ihn sichtlich mitnahm. Die Brüder sprachen über die Modalitäten des Begräbnisses und erinnerten sich an alte Zeiten in ihrem Elternhaus. Céline und Jenny redeten über Jennys Klassenfahrt nach Chartres, die nach den Herbstferien stattfinden sollte. Das Essen war gut wie immer. Als Nachtisch gab es Jennys geliebte Apfeltarte, eine Köstlichkeit, die nirgends so gut schmeckte wie in diesem Restaurant.
Gegen zehn verließen sie das Lokal und spazierten in die Rue des Blancs Manteaux. Céline verabschiedete sich und verschwand in ihre Wohnung.
Als Jenny eine halbe Stunde später im Bett lag, zeigte LaBréa seinem Bruder die Briefe des unbekannten Liebhabers aus dem Nachlass von Lucia LaBréa. Richard war perplex. Auch er hatte nichts von dem Geheimnis ihrer Mutter geahnt und den Mann nie gesehen.
»Was machen wir mit diesen Briefen?«, fragte Richard. »Bewahren wir sie auf?«
»Wozu?«, erwiderte LaBréa. »Wahrscheinlich werden wir nie erfahren, wer dieser Bernard gewesen ist.«
»Dann vernichte sie, Maurice. Niemand braucht je etwas davon zu erfahren.«
Wenig später verabschiedeten sie sich. Richard, dessen Wohnung im 1. Arrondissement lag, würde in gut zehn Minuten zu Hause sein. Er lebte wieder allein, denn seine Freundin Fanny hatte ihn vor einigen Wochen verlassen. LaBréa schien es, als sei er nicht allzu unglücklich darüber.
»Also dann, Maurice, bis Freitag.« Richard schlug den Kragen seines Regenmantels hoch. »Elf Uhr, Haupteingang.«
LaBréa nickte. Für Freitag um elf Uhr war die Bestattung ihrer Mutter auf dem Friedhof Montparnasse angesetzt.
1. Dezember 2001
Wochen waren vergangen, und noch hatte sich nichts geändert. Doch morgens, wenn er in der Spiegelscherbe über dem Waschbecken sein Gesicht betrachtete, entdeckte er in seinen Augen die Veränderung, die allmählich in ihm vorging. Härte lag in seinem Blick, die kalte Überlegenheit desjenigen, der einen Entschluss gefasst hat. Die Eintönigkeit seines Alltags würde bald ein Ende finden. Das alles hier würde vorbei sein. Die gemeinsame Zeit mit Dolly, die dahinfloss wie ein träger, dreckiger Fluss, würde nur noch ein blasser Erinnerungsstreifen am Horizont sein.
Mehr und mehr hatte er seinen Tagesablauf verändert. In die Zone ging er nur noch selten und sagte Dolly nichts davon. Mit seinem alten Schulfreund Mahmoud verband ihn jetzt eine Art geschäftliches Interesse. Nach zähem Ringen hatte dieser sich einverstanden erklärt, ihn bei jedem Raubzug mit dreißig Prozent an den Erlösen zu beteiligen. Inzwischen gab es ein festes Netz von Abnehmern und Zwischenhändlern für die Ware, die weiterhin hauptsächlich aus elektronischen Gebrauchsgütern bestand. Die alte Blechbüchse unter der Bohle nahe seiner Schlafstatt
war prallgefüllt. Die Ersparnisse beliefen sich auf knapp zweitausend Euro. Ein schönes Startkapital. Er musste nur den geeigneten Zeitpunkt abpassen und auf der Hut sein, dass Dolly den Schatz nicht entdeckte.
Es war kalt geworden. Seit Tagen lag die Stadt unter einer Schneedecke wie unter einem Schonbezug. Dolly steigerte ihren Schnapskonsum, wobei ihr als Ausrede das kalte Wetter diente, das ihr angeblich die Arbeit erschwerte. Tatsächlich waren die nächtlichen Besucher seltener geworden und ihre Einnahmen zurückgegangen. Vor einer Woche war sie mit einem ausgeschlagenen Schneidezahn nach Hause gekommen und mit einem blauen Auge, das sich inzwischen lila und gelb verfärbt hatte. Jean-Marie, einer ihrer Stammkunden, ein grobschlächtiger Hüne und ehemaliger Seefahrer, war im Suff ausgerastet. In letzter Minute hatte Dolly aus Jean-Maries schäbiger Wohnung fliehen können und war am Ende heilfroh, dass der Typ zu betrunken gewesen war, um sich an ihre Fersen zu heften.
»Wie gut, dass ich den Kerl nie mit nach Hause genommen habe«, sagte sie am nächsten Tag und grinste. »Einen guten Blick für die Leute, den musst du in meinem Job schon haben. Sonst gehst du
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