Der letzte Walzer in Paris - Ein Fall fuer Kommissar LaBr a
Moment konnte es wieder anfangen zu schneien.
Dann war es so weit. Das Tor öffnete sich, und Mahmoud trat heraus. Seine bunte Wollmütze hatte er tief ins Gesicht gezogen. Mick sah sofort, dass er in den drei Wochen Knast abgenommen hatte. Seine Wangen wirkten eingefallen, die schwarzen Augen lagen noch tiefer in den Höhlen. Mahmoud grinste.
»He! Kumpel! Das ist ja ’ne Überraschung!« Aus der Tasche seiner gesteppten Jacke kramte er eine zerknautschte, filterlose Zigarette und zündete sie an. Dann warf er seinen armeefarbenen Rucksack über die Schulter und gab Mick einen kräftigen Klaps auf den Rücken.
»Los, komm, das wird jetzt erst mal gefeiert, Kumpel.«
Auf der Suche nach einer Kneipe gingen sie durch die Rue de la Sante Richtung Boulevard Arago. Mahmoud hatte in der Haft Pläne geschmiedet, wie sie beide ihre Geschäfte fortführen konnten, und erzählte Mick unterwegs davon. Schon lange hatte Mick sich nicht so gut gefühlt. Sein Freund war aus dem Knast, er war nicht mehr allein, und bald würden sie ihre alten Gewohnheiten wieder aufnehmen und nach allen Seiten expandieren. Das Leben, diese erzwungene Zwischenzeit bis zum Tod, war voller üppiger Überraschungen, wie ein Selbstbedienungsladen. Man musste nur ins richtige Regal greifen.
Die Fußgängerampel an der Kreuzung zum Boulevard stand auf Rot. Mahmoud scherte sich nicht darum und ging über die Straße, während Mick kurz zögerte und nach links und rechts blickte. In Sekundenbruchteilen geschah es dann. War es ein grüner oder ein blauer Kombi, der von rechts über die Kreuzung fuhr? Auch später konnte Mick sich nicht daran erinnern. Als der Fahrer des Wagens Mahmoud erblickte, trat er auf die Bremse. Der Kombi brach auf der schneeglatten Straße aus und rutschte mit voller Wucht auf Mahmoud zu. Dieses Geräusch! Das Geräusch eines auf der Kühlerhaube aufprallenden Körpers sollte Mick noch lange im Gedächtnis bleiben.
Wie erstarrt war Mick an der Fußgängerampel stehen geblieben. Als einige andere Autos anhielten, Menschen
zur Unfallstelle eilten und jemand sein Handy zückte, um den Rettungsdienst und die Polizei zu rufen, lief Mick auf die Straße. Sein Freund lag auf dem Rücken, die Arme um den Körper geschlungen, als wolle er sich schützen. Ein seltsamer Ausdruck lag in seinen weit geöffneten, gebrochenen Augen, als wollte er sagen: So ist das also, wenn man stirbt!
Irgendwann fragte jemand, ob er den verunglückten kenne? Mick schüttelte den Kopf, stand langsam auf und verließ den Unfallort, ohne sich noch einmal umzudrehen. Etwas war zerbrochen, unwiderruflich. Ein Abschnitt war zu Ende, ein neuer würde beginnen. Mick hörte die Sirene des Rettungswagens, der vom Krankenhaus Sainte Anne heranbrauste. Den Blick auf seine Stiefel und die Spuren, die sie im Schnee hinterließen, gesenkt, ging er ohne Ziel. Schmerz durchzuckte ihn. Er war immer noch frei, aber allein. Und er ahnte, dass dieser Zustand lange anhalten würde, vielleicht für immer.
Der Tag verging, und als die Dämmerung anbrach, wusste Mick nicht, wo die Stunden geblieben waren. In einer Métrostation hatte er sich aufgewärmt und einer Gruppe russischer Musiker gelauscht, die zu Balalaika- und Akkordeonklängen wehmütige Lieder aus ihrer Heimat sangen. Die Musik brachte ihn auf eine Idee.
Es war bereits dunkel, als er den Weg zur Wohnung seines Cousins einschlug.
18. KAPITEL
L aBréa schob sich an die Wand des Parkwärterhäuschens. Doch der Mann, der Franck fast um Haupteslänge überragte und mit ihm über den Hof zu den Autos ging, blickte kein einziges Mal in LaBréas Richtung. Sein ganzes Interesse galt dem feuerroten Ferrari, dessen polierte Karosserie im Licht der Scheinwerfer verführerisch glänzte. Franck redete mit dem Mann, gestikulierte, öffnete dann die Fahrertür. Der Mann steckte seinen Kopf kurz ins Wageninnere und nahm dann auf dem Fahrersitz Platz, wobei er Mühe hatte, seinen langen Körper zusammenzufalten. Franck legte die Hand aufs Wagendach und fuhr in seinen Erklärungen fort. Jetzt sah LaBréa, wie Franck heftig nickte und gleich darauf einen raschen Blick in seine Richtung warf. LaBréa ahnte, dass es jetzt um die Probefahrt ging.
Er drückte Francks Nummer auf seinem Handy. LaBrea sah, wie Franck das Handy aus der Tasche zog.
»Ja?«
»Ich kenne den Mann, Franck«, sagte LaBréa mit leiser, erregter Stimme. »Nehmen Sie ihn sofort fest. Zugriff!«
Im selben Moment stieg der Mann aus dem Ferrari, ging zum Heck
Weitere Kostenlose Bücher