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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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wirkte, als wollte sie sich nie wieder bewegen. Ihr Make-up war verschmiert. Sie hatte sich abschminken wollen, es dann aber aufgegeben. Sie starrte mich mit der bösen Resignation einer Siebzehnjährigen an, die jene Art von Kater erlebt, den sie mit einem Gefühl bescheidener spiritueller Größe hinter sich bringen wird – wenn sie ihn überhaupt hinter sich bringt.
    »Ich warte noch ein bisschen«, sagte ich. »Wir haben noch Zeit.«
    Talulla schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Mühe. Das ist nun mal so bei mir. Es wird bis heute Abend anhalten, und dann bin ich voller Hummeln. Heute Abend wirst du dir wünschen, ich wäre so wie jetzt.«
    Es war trotzdem nicht leicht, sie einfach zu verlassen. Mehrere Anläufe waren nötig. »Falls mir irgendetwas zustößt«, sagte ich und drehte mich zum vierten Mal an der Tür um – dann ging mir auf, dass ich gar keinen Rat zur Hand hatte.
    »Geh einfach«, sagte Talulla nur. »Wird schon werden.«
    Ich ließ eine Flasche Jack Daniels bei ihr, drei Schachteln Camels, ein Dutzend Schmerztabletten und eine Kanne lausigen Motelkaffees. Dazu noch Cloquets Luger, die ich behalten hatte, allerdings hatte ich die Silberkugeln durch normale Munition ersetzt. Gegen Blutsauger nutzten sie nichts (falls ich nicht bis Sonnenuntergang zurück war), aber sie waren gut gegen menschliche Helfer und Agenten. »Wenn ich es nicht bin, der durch die Tür kommt«, sagte ich, »erschieß ihn.«
    Talulla nickte mit klappernden Zähnen, schloss die Augen und scheuchte mich fort. Ich schloss hinter mir ab. Es war kurz nach Mittag.
     
    Bekanntlich sind Schriftsteller immer bei der Arbeit, halten Augen und Ohren offen für alles, was sie vielleicht mal verwenden können. Das ist bei Werwölfen genauso. Nicht, um schräge Charaktere einzufangen oder Dialogfetzen, sondern um Orte zu finden, die sich für den heimlichen Mord eignen. Seit Jahren schon hatte ich diesen Küstenabschnitt – die hundert Meilen zwischen Monterey und Morro Bay – in den Akten. Neben der erforderlichen Landschaft und den Geistern von Steinbeck, Miller und Kerouac hatte Big Sur alleinstehende Häuser und eine Menge durchgeknallte Bewohner mit mehr Geld als Verstand aufzuweisen. In den späten Sechzigern hatte ich mir dort für ein paar Wochen ein Haus gemietet (zum Beutemachen war ich nach Alaska geflogen) und war ganz beeindruckt gewesen von dem potentiellen Angebot. Eigentlich merkwürdig, dass ich das so lange ausgelassen hatte.
Du hast es für sie aufgehoben
, behauptete meine neuentdeckte romantische Ader – und in meiner neuentdeckten generösen Blödheit wies ich diese Vorstellung nicht rundheraus von mir.
    Ort, Zeit und Opfer des Mordes zu finden, ist ein merkwürdiges Handwerk, eine Kunst. Natürlich entwickelt man im Laufe der Zeit ein Näschen dafür, ein Gespür für die sich verändernden Umstände. In den Anfangsjahren hatte ich Wochen damit zugebracht, den Ort auszusuchen. Heute kann man mich irgendwo in der Nähe menschlicher Behausungen absetzen, und ich weiß in weniger als vierundzwanzig Stunden, wer das optimale Ziel abgibt.
    Natürlich gibt es auch einfachere Möglichkeiten. Die westliche Welt ist heutzutage so durchgeknallt, dass man glatt eine Anzeige in die Zeitung setzen könnte, auf die sich mit Sicherheit irgendein verzweifelter Mensch meldet, der sich selbst Schaden zufügen will:
Dralles, saftiges Opfer für Werwolf gesucht. Nichtraucher bei allgemein gutem Gesundheitszustand bevorzugt. Nur ernstgemeinte Zuschriften
. Ich habe schon eine Reihe von Junkies und Alkies, Blinden, Tauben, Krüppeln, Gebrechlichen und Geisteskranken hinter mir. Ich habe mir schon vom Escortdienst Leute kommen lassen (Männer und Frauen), habe sie betäubt, aufs Land hinausgefahren, sie aufwachen lassen und Jagd auf sie gemacht. All das geht (der Fluch kümmert sich nicht um Ästhetik oder Fairplay), aber in der direkten – fast möchte man sagen traditionellen, sauberen – Art des Beutemachens liegt eine besondere, tiefgreifende Befriedigung: Man lauert einem vollkommen gesunden Menschen auf, stellt sich ihm, gibt ihm genug Zeit, um die Situation wirklich zu begreifen, und schlägt dann zu.
    Ich verbrachte den Tag damit, umherzufahren und zu wandern, war ausgestattet mit Rucksack, Wanderhut, Wanderstiefeln, Fernglas und der Taschenbuchausgabe eines Vogelbestimmungsbuchs, Officer. Bis zur Touristensaison war es noch einen Monat, und die Wege waren menschenleer. Ich hatte die Gegend für mich. Bei dem Duft von

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