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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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noch einen, der gut aussah), für den Fall, dass eine Frau die Sache für Talulla schwieriger gemacht hätte, eine Überlegung, die sie gerade in meinen Gedanken las – sie drehte sich grinsend zu mir um – und die sie sowohl rührend wie auch beleidigend fand.
    Mondlicht fleckte den Waldboden und besänftigte uns, als wir hindurchgingen. Lu blieb einmal kurz stehen, um nach oben zu schauen, ließ sich ihr Werwolfsgesicht kühl bescheinen, und ich sah meine Geliebte in all ihrer drahtigen Schönheit versilbert, harte Brüste, glatter Bauch, die langen tödlichen Krallen, die dünn behaarten Muskeln an Ober- und Unterschenkeln. Ich schauderte bei dem Gedanken, wie kurz davor ich gewesen war, alles aufzugeben. Dann fiel mir Harley in der Bibliothek wieder ein, wie er sagte: »Du hast die Pflicht weiterzuleben, so wie wir alle«, dazu der Schnee von London und das vom Feuer aufleuchtende Gold des Whiskys. »Du liebst das Leben, weil das Leben alles ist.« Die letzten zwei Wochen, die Motels, die Meilen auf der Straße, Manhattan, Heathrow, all das hatte die verschlossene, verschlüsselte Qualität eines Traums.
Dies
hier, das war die wache Welt, Lust und Hunger, die auf das Urfestmahl zurasten. Meine tote Verzückung war wieder zum Leben erweckt worden, durch das simple Wunder, all dies nicht allein durchmachen zu müssen …
    In der Zwischenzeit waren wir zu schnell zu weit vorgedrungen. Ein kleiner Bach stürzte in ein steiles Tal, das an der Westseite von Koniferen bewaldet war (jenseits davon die große frische Flanke des Pazifiks), die Ostseite eine Mischung aus Wald und Geröll, durch die sich eine glatte einspurige, noch frisch nach Teer riechende, schlecht beleuchtete Straße schlängelte. Talulla blieb stehen; ihr Atem warf Wölkchen. Ich stand hinter ihr, legte meine Arme um sie, füllte meine Hände mit ihren Brüsten und zwickte sie leicht in die Schulter. Sie legte ihren Kopf zurück und leckte mir die Schnauze.
Ich bin klüger, wenn ich mich verwandle
, hatte sie gesagt, und ich konnte es spüren, die tiefsitzende Gerissenheit, der geölte Verstand. Im roten Schein des Hungers war ihr Raubtier mit Ecken und Schatten beschäftigt, mit Deckung, Zugang, mit der Frage, wie weit ein Schrei zu hören war. Ich hatte sie unterschätzt, hatte aus rudimentären Illusionen von weiblicher Zartheit wider besseres Wissen angenommen, ich müsse ihr behilflich sein, das zu verstehen. Sie bemerkte, wie peinlich berührt ich war, spürte es. Das Lecken meiner Schnauze hieß:
Schon in Ordnung, ich verstehe. Süß von dir. Aber verstehst du jetzt, womit du es zu tun hast?
    Das Haus (mit brennenden Lichtern und einem schwarzen Lexus in der Einfahrt) stand wie ein schicker Bunker an der Hügelflanke, es gab zwei Stockwerke, einen Keller, einen Pool, ein überdachter Balkon zog sich rings um das obere Stockwerk. Es gab eine Doppelgarage, steinerne Torpfosten, elektronisch gesicherte Gitter. Selbst ohne unsere körperlichen Vorteile war es nicht schwer einzudringen. Zwar waren die Türen im Erdgeschoss verschlossen, aber es war noch zu früh am Abend für den Maestro, um sich von seinem Shield 500 XS -Sicherheitssystem einsperren zu lassen. In der Mitte des ersten Stocks stand eine von zwei Glasschiebetüren offen, dahinter konnte man ein riesiges weißes Ledersofa erkennen, dazu einen Plasma-Fernseher, auf leise gestellt. Unser Freund, barfuß, Bermudas und ein babyblauer Rollkragenpullover aus Fleece, hatte es sich mit der Fernbedienung in der einen und dem Telefon in der anderen Hand bequem gemacht, er zappte und meckerte ins Telefon, mit einer Monotonie, die verriet, dass er sich der Unprofessionalität aller anderen, besonders des Regisseurs, geschlagen gab.
    Der Plan sah vor, ein paar Stunden abzuwarten. Der Plan war hinfällig. Hunger und Verlangen hatten schlicht und einfach die Beherrschung überrumpelt. Wir spürten beide voller Erleichterung, wie sie von uns wich.
Komme, was da wolle
hieß unser mantrischer Segen, als wir uns leise die Ostseite des Tals hinaufbewegten, mit einem einzigen Sprung die leere Straße überquerten und mit aller wölfischen Heimlichkeit aufs Haus zugingen.
    Ich ging vor. Mit einem Satz nahm ich das Tor. Ein zweiter Satz vom Boden auf den Balkon. Ein dritter vom Balkon durch die offene Tür direkt auf das Sofa.
    Übertreibung ist die Untugend der Schreiberlinge, aber ich stehe zu der Behauptung, dass ich Drew (Drew Hillyard, wie wir später aus der Zeitung erfuhren) buchstäblich den Schreck

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