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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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was anderes, verdammt, schon erstaunlich, dass man mit einundvierzig die Tatsache akzeptieren konnte, dass die Sache mit Frauen rein geschäftlich war, und sich dennoch einen Sohn wünschte, dem man Musik beibringen wollte.
    Trotz des Mondlichts veränderte sich der Schein des Fernsehers deutlich, er zitterte, eine blonde, grünäugige Bewerberin bei
America’s Next Top Model
weinte glitzernd, ihr halbes Gesicht war unter dem Pfannkuchen aus gerinnendem Blut auf der Mattscheibe verborgen.
    Talulla wandte sich von ihrem Tun ab und sah mich an.
Es ist ganz nah. Spürst du es?
    Himmel und Wasser veränderten sich, verschoben ihre Bestandteile und ergaben, wie die Lösung eines Bilderrätsels, eine neue Sternenkonstellation namens Wolf, ein Diagramm, das zeigte, dass es für uns keinen Grund gab, nur unsere Gewissheit, und diese Erkenntnis war wie die Hand, die uns zum Frieden führte. Durch das treibende Wasser und den Geruch von Frost hindurch pflichtete die Nacht in dem Zimmer dem bei.
    Was nicht heißen soll, dass wir nicht nass vor Blut waren, dass Talulla nicht ihren Rücken durchdrückte und meine Hände nicht ihre Brüste packten oder sich ihre Beine nicht voller gerissener animalischer Kapitulation öffneten. Ich hatte gedacht, ich hätte sie vorher schon geliebt, und das hatte ich ja auch, die Frau. Aber das hier war das Ungeheuer, und es war großartig. Ich erhielt einen erschütternden Eindruck von der Tiefe meiner Fähigkeit zur Verehrung, wich davor zurück wie vor der Kante eines kalt umhauchten Abgrunds. Auch Talulla sah das und schickte mir ein
Das ist bei mir genau so, siehst du das nicht?
    Ihre Frage gab den Ausschlag. Eine Sekunde vollkommenen Gleichgewichts – dann stürzte ich vom Umkehrpunkt hinab, drang in sie ein, und sie verdrehte die Augen, ihre Zunge kräuselte sich in martialischem, erotischem Triumph (absurderweise detonierte mir Dante im Kopf:
Und eine Wölfin sah ich auch sich regen / Mit jeglichem Gelüst beladen, hager
) – und der plötzliche Sturz riss uns aus unseren Körpern und schickte uns für einen unermesslichen Augenblick zurück zu jenem Etwas, das nicht Gott war, sondern jener Aspekt von ihm, der unser war, und in diesem unendlich generösen Archetypus gab es weder sie noch mich, nur die Hingabe, die einen mit dem süßesten Lied nach Hause ruft zur Verbindung und ohne jeden Schmerz all die Gurte und Schnallen des leidenden Ichs verbrennt.
    Wonne.
    Wonne entzieht sich natürlich jeder Beschreibung, da sie einen auslöscht und man nicht dabei ist, um sie zu erleben. Man erfährt den Anstieg und den Fall, niemals den Höhepunkt. Wir kamen dort oben an. Wir kehrten zurück – verdorben, mit einem Schlag ruinierte Süchtige. Von nun an konnte es nichts Geringeres mehr geben. ›Zweihundert Jahre Unwissenheit‹, dachte ich, ›und nun das. Und nur noch zweihundert Jahre, um es zu wiederholen.‹
    ›Ich liebe dich‹, so lehrte uns dieser Augenblick (als Drews Leben verlosch wie der letzte Schein im schwarzen Westen), war für die menschliche Sphäre bestimmt. Hier, erniedrigt und voller Zärtlichkeit für die neu gewonnene Begrenztheit von Armen und Zähnen, Lippen und Bäuchen, brachten wir unsere Nasen zusammen, leckten, drückten uns aneinander, hielten inne, schauten, sahen in den anderen hinein und wussten, wir waren geweiht, komme, was da wolle, nicht nur unsere unheilige Ehe, sondern auch unser gemeinsames Alleinsein in der Welt. Ein Zustand, wie wir beide seelenruhig zugaben, der zu vollständigem Hass aufeinander führen konnte. Es lag ein großer Trost darin, das zu wissen, es zu begreifen, alle Möglichkeiten zu akzeptieren. Wir fühlten uns wie kleine Götter, pulsierten vor frischem Lebensmut, blieben bescheiden angesichts der Möglichkeiten. Wir hätten gelacht, wenn wir gekonnt hätten.
    Die Zeit hatte sich danebenbenommen, hatte Stunden als Minuten verkleidet. Ich hatte den Überblick verloren. Hatte mich unverzeihlicherweise gehenlassen. Vögeln Töten Fressen hatte uns Vorsicht und Beherrschung gekostet.
America’s Next Top Model
war den
Good Morning News
gewichen (der übliche amerikanische Doppelauftritt des väterlichen Golfers mit Toupet und eines L’Oréal-Blondchens Mitte zwanzig. Dass der Opa mit dem Mottenfiffi auf dem Kopf die enthaarte Tochter bumste, war okay, solange beide leichte Ungläubigkeit und beherrschten Zorn darüber äußerten,
was da draußen in der Welt alles vor sich ging
). So als habe man ihn schlafend im Dienst vorgefunden,

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