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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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dringend, um es mal vulgär zu sagen, einen runterholen.«
    Madeline sagte nichts, doch eine kleine Welle professioneller Aufmerksamkeit durchzuckte ihre Haut unter meinen Handflächen. Oh. Richtig. Wieder bei der Sache. Weiter geht’s.
    »Ich ging vielleicht zwanzig Schritte zu den Bäumen am Bachufer, knöpfte mir die Hose auf, reckte die Kehle zum Mond hin und begann, mich zu befriedigen. Ich wusste, ich würde Arabella nach meiner Rückkehr davon berichten. Für sie würde es ein weiteres süßes Sakrament sein …« Zu Beginn hatte ich die Geschichte mit mechanischer Trockenheit erzählt, doch nun war ich selbst davon fasziniert – ganz gegen meinen Willen. Plötzlich merkte ich nicht, wie lang zweihundert Jahre waren, sondern wie kurz. Da war der Beginn als Werwolf, wie ein Dorn, an dem ich mich in dieser Sekunde gekratzt hatte. Doch irgendwie lagen zwischen damals und heute fast zweitausend Opfer. Ich dachte an sie in einem Konzentrationslager zusammengepfercht. Meine Eingeweide sind ein Massengrab. Es hätte auch nicht geschehen können. Es hätte auch jemand anderem zustoßen können.
    »Weiter«, forderte mich Madeline auf. Die Massage hatte wie die Geschichte eine Pause eingelegt. Geduld ist nicht Madelines Stärke.
    »Das war der letzte Augenblick meines Lebens als Mensch«, fuhr ich fort und arbeitete mich ihre Oberschenkel hinab, »und er war schön: der Duft der Koniferen, das Rauschen des Bachs, die warme Luft und das lindernde Mondlicht. Ich hatte einen wunderbaren Orgasmus, hatte ein Bild von ihr im Kopf, wie sie einen Blick über die Schulter warf, während ich sie von hinten nahm.«
    »Hab schon verstanden, Schätzchen.«
    »Dann griff der Werwolf an.«
    »Oh.«
    »Na ja, ›angegriffen‹, in Wahrheit stand ich nur im Weg. Der Werwolf war auf der Flucht. Ich hatte noch immer meinen Schwanz in der Hand, als ich plötzlich etwas im Unterholz hörte, und in weniger Zeit, als ich jetzt brauche, um davon zu erzählen, hatte er sich auf mich gestürzt – riesig, stark riechend, von Angst getrieben – und war wieder verschwunden. In einer einzigen klaren Sekunde spürte ich alles, seine Geschwindigkeit und Masse, die scharfen Krallen, den Fleischgestank seines Atems, den eisigen Biss und den kurzen Blick in seine schönen Augen –, dann verschwand er in der Dunkelheit, ich lag völlig überwältigt da, ein Arm im dahineilenden Bach, und mein Hemd wurde schwer von meinem eigenen Blut. Kaltes Wasser und warmes Blut, ein irgendwie angenehmer Kontrast. Ich hatte den Eindruck, schon lange dort zu liegen, doch in Wahrheit können es nur Sekunden gewesen ein, bevor ich die Jagdgesellschaft sah. Damals hieß sie noch nicht so. Damals hießen sie noch SOL – Servants Of Light. Am anderen Bachufer tauchten drei Männer in Umhängen auf Pferden auf, bewaffnet mit Pistolen und Speeren mit Silberspitzen, einer mit einem Langbogen und einem Köcher voller glitzernder Pfeile.«
    »Ernsthaft, das solltest du mal aufschreiben.«
    »Sie sahen mich nicht, und der Lärm der galoppierenden Pferde hätte mein Rufen übertönt, wenn ich denn die Kraft gehabt hätte zu rufen. Im nächsten Augenblick waren sie auch schon wieder verschwunden. Eine Weile blieb ich merkwürdig unbeteiligt irgendwo zwischen Klarheit und Bewusstlosigkeit liegen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging. Sekunden hätten Tage sein können. Das Mondlicht auf mir war wie ein Engel, und die Sternbilder strahlten mich zärtlich an: Pegasus, Großer Wagen, Schwan, Orion, die Plejaden.
    Als ich ins Lager zurückkroch, hatte die Wunde aufgehört zu bluten. Charles hatte alles verschlafen. Mich überkam eine plötzliche Übelkeit, die mir verriet, dass es besser wäre, ihn nicht zu wecken, ihm nichts davon zu verraten. Was hätte ich ihm denn sagen sollen? Da ist eine fast drei Meter große Gestalt, halb Mensch, halb Wolf, aus dem Nichts aufgetaucht und hat mich gebissen, nur um dann, verfolgt von drei berittenen Jägern, zu verschwinden? Es war noch ein Schluck Brandy im Flachmann, den goss ich mir über die Wunde und versorgte sie mit ein paar Taschentüchern, so gut ich konnte. Ich fachte das Feuer wieder an und hielt den Rest der Nacht Wache. Wir hatten keine Waffen bei uns, doch zumindest konnte ich Alarm schlagen, falls das Untier zurückkam.« Ich lag nun neben Madeline und massierte mit der rechten Hand kräftig ihre Lendenwirbel. Ein Großteil von ihr gab sich ganz den Freuden der Massage hin. Ein kleiner Teil von ihr hielt den

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