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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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das Interesse schon verloren. Doch die Libido kehrt immer wieder zurück.
    Ein präkoitaler Blick in den Spiegel zeigte mir das trübsinnig vertraute, ruhige Gesicht mit den dunklen Augen (jedes Mal, wenn ich es in letzter Zeit sehe, denke ich: Ach, Jacob, tu dir einen Gefallen und
hör auf damit
), dann ging ich zu Madeline aufs Bett. Sie schaltete auf meinen Wunsch hin den Fernseher aus, legte sich auf den Rücken, spreizte ihre in weißen Strümpfen steckenden Beine und legte die Arme sklavinnenhaft über den Kopf; eine Viertelstunde lang ließ sie die immer schmerzlicher werdende Erkenntnis auf sich wirken, dass ich keine Erektion bekam, während sie gleichzeitig alles in ihrer Macht Stehende tat, um mir zu einer zu verhelfen. Schließlich räumte ich betont sanft meine Niederlage ein. »So komisch das auch klingt«, erklärte ich, »aber wir haben gerade Geschichte geschrieben. So was ist mir bislang noch nie passiert.«
    Ihr berufliches Ego war angekratzt, und sie war nicht sehr gut darin, das zu verbergen. Nach einem kurzen Seufzer und einer Kopfbewegung, mit der sie sich das blonde Haar vom Schlüsselbein warf, fragte sie: »Willst du es anders probieren?«
    Jetzt ist es amtlich.
    Du bist der Letzte.
    Tut mir leid.
    Hat schon seinen Grund, warum man es verzögerten Schock nennt. Bis ich mich auf Madeline legte, hatte ich es noch nicht wirklich aufgenommen oder hatte es doppelbödigerweise aufgenommen und gleichzeitig von mir gewiesen. Doch ich hatte meine Hände an ihre Taille gelegt, ihre Brustwarzen an meiner Brust gespürt, und die Sanftheit und Hitze ihres Atems hatten mich, wie das mit solchen Rätseln nun mal ist, wieder auf den Boden der prallen, widerlichen Tatsachen zurückgeholt. Es war, als hätte ich einen Schatten im Augenwinkel ignoriert, mich dann umgedreht und festgestellt, dass es sich um eine dreihundert Meter hohe Flutwelle handelte, die auf mich zukam. Du bist der Letzte.
    »Später vielleicht«, antwortete ich. »Hat übrigens nichts mit dir zu tun.« Madeline zog das Kinn bei dieser völlig abwegigen Bemerkung ein und schaute zu dem unsichtbaren Dokumentarfilmer hinüber, der sie stets begleitet. Madelines Narzissmus baut peinliche Augenblicke zu Gelegenheiten um, in denen sie sich überrascht der Kamera zuwenden kann. Ähm,
hal-lo
?
    Ich war hinabgerutscht, um meinen Kopf auf ihrem Oberschenkel ruhen zu lassen, und nun lag ich da und atmete den Duft ihrer warmen, jungen Fotze mit einem Hauch Dior Addict ein. Das letzte Bild vor meinem geistigen Auge, bevor ich aufgehört hatte, auf ihr rumzurutschen, war das von dem kampfjackenbewehrten Ellis, der Wolfgangs riesigen abgetrennten Wolfskopf hochhielt, während ein Jagdkollege das alles für die Annalen der WOKOP filmte.
    »Wie wär’s, ich massiere
dich
?«, fragte ich. Wäre das Ganze Hollywood, dann würde ich sie mit vollem Lohn und reich beschenkt davonschicken, um mich einer Nacht voller heldenhafter Einsamkeit zu widmen und zu grübeln, eine Reihe von Überblendungen, die der triefäugige Al Pacino mit bedrohlichem Minimalismus abliefern würde, wie er auf die City hinausschaut, mit brennender Zigarette, Flasche und Glas und langsam in einer Art geschlagener Weisheit all den Tod und die Traurigkeit auf sein Gesicht schreibt. Aber dies hier war nicht Hollywood. Die Vorstellung, die ganze Nacht allein zu bleiben, löste schwindelnd falsches Adrenalin und eine zweite Phase des Leugnens aus. Ich ertrug es nicht, darüber nachzudenken. Ich zog Madeline die Strümpfe aus.
    »Gut so?«, fragte ich eine Weile später. Ich hatte das Licht ausgemacht, aber die Jalousien aufgelassen. Es schneite noch immer. Der gelblich graue Himmel und die weiße Dachlandschaft warfen ein mondfarbenes Licht, genug, um Madelines Ohrringe aufblitzen und ihre eingeölte Haut glänzen zu lassen. Ich hielt ihren linken Fuß in den Händen und bearbeitete ihn sanft.
    »Hmm«, machte Madeline. »Luxus.«
    Ich massierte weiter, bis auf Madelines gelegentliches Stöhnen war es still, und ich war mir sicher, wenn ich jetzt aufhörte, würde ich meine eigene durchgedrehte Energie nicht mehr ertragen können. Ich erinnerte mich noch, wie müde Harley am Telefon geklungen hatte, deutete dies nun als erstes Anzeichen für seine Bereitwilligkeit, mich gehen zu lassen. Ganz sicher würde mein Tod ihn mit seiner eigenen Geschichte konfrontieren, so dass nichts mehr blieb zwischen ihm und den Schrecken, deren Mitwisser er geworden war, aber es würde ihn auch befreien. Er

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