Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
nicht ganz«, sagte sie immer noch merkwürdig neutral, als die Kammerzofe mit dem kleinen Gesicht mit einer Vase voller weißer Rosen hereinkam. »Diese Liebe kann nicht gegen die Gerüchte der englischen Nachbarn bestehen. Marlowes amerikanische Hure. Weißt du noch, wie du darüber lachen musstest? Weißt du noch, wie du das ›drollig‹ genannt hast?« Ja, das wusste ich noch. Ich wusste noch, dass dieses ›drollig‹ mich in eine souveräne Gutmütigkeit versetzt hatte, dass mit diesem einen Wort das Korsett, das die Welt einengt – Blakes
eig’ner Gedanken Fesseln
(die erotische Revolution hat tote Bilder und Gedichte wiederbelebt) –, abfiel. Nun glaubte Arabella, ich wolle etwas anderes. Wie auch nicht? Ich wollte ja etwas anderes.
So blau geadert, so von weißer Süsse/Mehr als da Venus schaumgeboren stand in ihrer Muschelwiege.
Gemeinsam hatten wir das Entzücken des sündigen Fleischs zelebriert. Nun wusste ich, dass es noch einen weiteren Sündenfall gab, das Entzücken, das Fleisch zu verschlingen (und darüber hinaus noch einen weiteren. Jedenfalls sagte das der Mond. Oder hielt es zurück. Noch nicht. Jetzt noch nicht).
    »Wohin gehst du?«, fragte Arabella. Ich war aufgestanden und zu den Verandafenstern hinübergegangen. »Jacob? Willst du mich nicht anschauen? Um Himmels willen.«
    Meine Beine gaben nach. Ich ging langsam in die Knie, eine feuchte Hand rutschte an der Türklinke ab. Arabella eilte zu mir – oder die Kreatur; der Äther riss einen Augenblick lang auf, und ich konnte das eine nicht vom anderen unterscheiden. Dann umschlangen mich ihre Arme und ihr Orangenblütenparfüm, mein Gesicht war ihren weißen Brüsten ganz nah
nimm ihr Leben nimm ihr Leben nimm ihr Leben bitte Gott lass es aufhören, lass mich sterben, nimm ihr –
»Nicht«, sagte sie, als ich mich wieder aufrichtete. »Bleib so.« Doch ich stand schon wieder auf den Beinen, als habe mich ein Geist unter den Achseln hochgehoben.
    »Ich muss gehen«, erklärte ich. Ich wusste, wie krank das für sie geklungen haben musste. »Ich gehe zu Charles.« Ihre kühle Haltung war ein Experiment gewesen, wie ich nun sah, ein Zeh, getaucht in die emotionalen Gewässer, in die sie wohl tauchen musste. Tatsächlich wartete sie noch immer darauf, dass ich zurückkehrte. Doch ich war nicht zurückgekehrt. Sie starrte mich an, zwang Verdacht, Wut, Besorgnis, mögliches Vergeben in ihren Blick; ganz offen Unverständnis zu zeigen, wäre wohl wirklich ein Tod gewesen. Ein paar Schweißperlen erschienen auf ihrer Oberlippe. Ich dachte an den Blick, wenn ich in ihr kam: heimliches Willkommen, das in unendlich ruhige, klare Bestätigung überging. Ein größeres Geschenk kann eine Frau einem Mann nicht machen. Und ich zerstörte es. »Das hat nichts mit dir zu tun«, bekam ich heraus. Ich hatte die Tür geöffnet. Geruch und Gewicht des Rasens war eine Schwerkraft, der ich mich ergeben konnte. »Es hat nichts mit dir zu tun. Ich liebe dich.«
    »Und warum –«
    »Bitte, Arabella, sosehr du mich liebst, glaub mir, es ist nichts … ich muss …« Ich trat auf die Veranda hinaus – und übergab mich plötzlich in einer heißen Fontäne. Das Geräusch war wie ein Schnitt in die Stille des Nachmittags.
    »Jacob, um Himmels willen, komm rein. Du bist
krank
.« Natürlich schwang darin eine gewisse Erleichterung über das Auftreten eines körperlichen Symptoms: lieber meine Eingeweide als meine Seele, als
ich.
    »Geht schon wieder«, entgegnete ich, richtete mich auf und suchte nach meinem Taschentuch. »Das hat geholfen. Wie widerlich. Verzeih mir. Bitte lass mich eine Weile in Ruhe. Lass mich zu Charles hinübergehen. Ich bleibe über Nacht dort, und morgen wird alles anders sein, versprochen. Lass mir nur die eine Nacht, damit ich den Kopf freibekomme.« Ich konnte ganz genau hören, was an meiner Stimme nicht richtig klang. Mein Körper mühte sich unter der Last unsichtbarer weicher Gewichte. Mit übermenschlicher Anstrengung wuchtete ich die Version von mir, die Arabella brauchte, an die Oberfläche, drehte mich zu ihr um, sah Hoffnung in ihren Augen blitzen, nahm ihre Hände in meine. »Denk nicht, was du die ganze Zeit gedacht hast«, fuhr ich fort. »Du tust uns beiden darin nicht recht. Etwas bereitet mir Sorge, etwas … bei meinem Leben, Arabella, ich kann heute Nacht nicht hierbleiben. Du musst mich gehen lassen. Morgen wird alles – ich schwöre, alles – anders sein. Bitte. Lass mich gehen.«
    Seit Tagen hatte ich ihr nicht

Weitere Kostenlose Bücher