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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Gesichtsausdruck solider Aufklärung änderte sich nichts. »Gehen wir«, sagte er.
    Dann tauchte der Hubschrauber auf. Er sank im Profil herab wie eine Spinne am Faden. Die Rotorblätter knatterten dumpf, die tödlichen Scherben des Raums wirbelten wild umher. Ein WOKOP -Kampfhubschrauber, leicht, schnell, gut manövrierbar. Die Rauchglaskuppel nickte einmal wie zum Gruß – Ellis strahlte mich vom Pilotensitz aus an –, dann wendete die Maschine um 45  Grad und richtete seine grellen Scheinwerfer auf uns.
    Ich wusste, womit der Hubschrauber bewaffnet war. Der Vampir auch. Jacqueline wohl ebenfalls. Die Munition nennen sie ›Hagel‹: zwanzig Zentimeter lange Hickoryholzpfeile, die mit dreißig Schuss pro Sekunde abgefeuert werden. Und natürlich nennen sie die Waffe »Hagelschlag«.
    Der Vampir kam nicht schadlos davon. Wenigstens ein Dutzend Pfeile trafen ihn – ich sah, wie einer seine Kehle durchschlug, ein anderer traf ihn direkt unter dem Auge – doch er war schnell genug, gerade noch schnell genug, sein verwundbares Herz zu schützen.
    Mit dem am schnellsten greifbaren Schild.
    Zwei Sekunden, nicht länger. Ich sah noch kurz, wie Jacquelines hell angestrahlter Körper wie durch Zauberei mit Stacheln besetzt war, bevor der Vampir sich – und sie – nach hinten warf, über die zerschundene Theke sprang und durch die Scheibe am anderen Ende des Raums schlug, hinaus in die Nacht.
    Als Ellis den Pfeilregen endlich abstellte, war ich nicht sonderlich überrascht, einen stoppelbärtigen Grainer in voller Kampfmontur mit lässiger maskuliner Beiläufigkeit auf dem Passagierplatz sitzen zu sehen, einen Kampfspeer auf den Knien, eine Zigarette wie bei einer Witzfigur locker im Mundwinkel baumelnd. Es war nicht schmerzlos. Es war nicht schnell. Er salutierte mit dem Zeigefinger an der Stirn, lächelte und wandte sich dann zu Ellis. Der setzte den Hubschrauber zurück, machte langsam kehrt, zog hoch und verschwand über die Bäume.
    Dann fing es an zu regnen.

31 .
    Ich hatte keine große Freude daran, aus der Villa zu verschwinden. Erst musste ich mir noch zwei weitere Glassplitter entfernen, einen in der linken Wade, der andere – ziemlich schmerzhaft, als ich die ersten Schritte tat – im rechten Knie. Ein paar Minuten lang lag ich einfach auf einem der riesigen Sofas, blutete und tat mir selbst leid. Es war recht angenehm, mit halbwegs erträglichen Schmerzen zusammengerollt dazuliegen und dem Regen zu lauschen. Das waren die ersten paar friedlichen Minuten, die ich seit einer verdammten Ewigkeit hatte, dachte ich und schniefte verärgert.
    Aber so konnte es offenkundig nicht bleiben. Ich humpelte zu den Trümmern der Bar hinüber, nahm einen stärkenden Schluck Kauffman Vodka, fischte die Luger aus dem Schutt und bahnte mir vorsichtig einen Weg hinaus auf die Terrasse.
    Abgesehen vom Regen, durch den ein angenehm frischer Duft feuchter Erde durch den Qualm aufstieg, war es auf dem Delon’schen Anwesen still. Die beiden Wachen im Garten lagen blutig, tot, in der Nähe, einer von ihnen hielt noch immer Cloquets Fernglas in der Hand. Kein Geräusch auf dem Dach. Grainer hatte den Ausguck dort oben mit seinem Zielfernrohr aus über fünfzig Metern erledigt. Die herbeigerufenen Verstärkungen waren nirgendwo zu sehen, hatten sich sicherlich gegenseitig angeschaut und mit ehrlicher Feigheit wortlos zugenickt: Scheiß auf Verstärkung.
    Was hieß, dass ich sie umgehen musste, falls sie jetzt mit blank liegenden Nerven und entsicherten Waffen umherschlichen.
    Ich brauchte dringend ein Transportmittel. Gehen kam nicht in Frage, nicht mit den blutenden Wunden und der eingedrückten Rippe (Rippen wahrscheinlich, Plural; für eine einzelne waren die Schmerzen zu groß). Gut möglich, dass Cloquet mit dem Wagen hierhergekommen war, aber vielleicht war er auch mit dem Fallschirm abgesprungen, hatte ein Kamel geritten oder einen Hüpfball benutzt. Und außerdem, wer wusste schon, wie weit es bis zum ›Südtor‹ war? Nein, ich brauchte ein motorbetriebenes Transportmittel. Was hieß, dass ich mich zu den Garagen vorarbeiten und dort irgendetwas kurzschließen musste, was sich da fand; eines der vielen Dinge, die ich in meinen zweihundert Jahren noch nicht gelernt habe, ist, einen Hubschrauber zu fliegen (Jacquelines Schiffsverbindung stand abflugbereit auf dem asphaltierten Landeplatz).
    Wie ich so humpelte und kroch, leise fluchte und mich im Kreis drehte, wie ich befürchtete, dauerte es ermüdend und merkwürdig

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