Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
unbestimmt lang, die Garage zu finden. Ich glaube, ich habe mich in einem der Flure womöglich für ein paar Minuten hingesetzt und bin eingeschlafen. Andernorts musste ich mich an einer Wand übergeben, beobachtet von dem riesigen Pseudo-Bosch-Gemälde einer Schwarzen Messe. Der Regen wurde stärker, so als wollte er durch sein Rauschen verheißen, dass die Zeit zu nichts zerrann. Ich kam an einem großen dunklen Raum vorbei, wo auf einem an der Wand befestigten Flatscreen-Monitor ein übergewichtiger Rapper seine Handbewegungen machte, die wohl maskuline Coolness vermitteln sollten, ohne Ton aber nur wie eine sinnlos gewalttätige Form von Gebärdensprache wirkten. Das Babyface von der
Hecate
lag in einer Blutlache auf dem Boden, tot, Augen auf, ein Bein unter sich angewinkelt. Ich ging mehr Treppen hinunter, als es hätte geben dürfen.
    Schließlich stieß ich mit pochenden Wunden, wispernder Kopfhaut und mit Rippen, die sich lauthals gegen all diesen Unsinn des Herumlaufens beschwerten, auf den Haushaltsraum und fand einen kurzen Trost im gütigen Duft frischer Wäsche. Von dort ging eine Tür auf einen gebogenen Gang hinaus, und dort zweigten drei Türen (ich befand mich unterhalb des Zwischengeschosses) in die Garagen ab.
    Goldlöckchen und die drei Autos. Ein roter Ferrari 458  Italia. Kein Schlüssel. Ein weißer Jaguar XK 140 , Baujahr 1956 . Kein Schlüssel. Ein 76 er VW Käfer in Metallic Lila. Schlüssel. Siehst du, Jake, sagte das Leben. Das Ganze ist eine Komödie. Mach dich locker. Ich stieg ein und startete den Motor.
    Die WOKOP -Kräfte (wenn es denn tatsächlich mehr gewesen waren als Grainer und Ellis) waren abgezogen. Ich hielt auf dem Fahrweg an, kurbelte die Scheiben herunter und spürte das massige grüne Bewusstsein des Waldes, den großen Durst des Landes, das im Dunkeln den Regen aufnahm. Sonst nichts.
    »Cloquet?«, rief ich. »Sind Sie da?«
    Nichts. Weiß Gott, warum ich mich überhaupt damit abgab. Man hat nun mal diese inneren Zwänge. Cloquet erinnerte mich an Gollum. Er würde es kaum verwinden zu hören, dass sein Schatz tot war. Oder untot, je nach Vampirlaune. Ich rief noch mal. Keine Antwort. Dann sollte es wohl so sein. Ich gab Gas.

32 .
    Am klügsten wäre es gewesen, auf ein weniger auffälliges Fahrzeug zu wechseln und einen Flughafen anzusteuern. Ich konnte nicht. Ich war erschöpft. Als ich durch Jacquelines Südtor hinausfuhr, bluteten meine Wunden nicht mehr (in menschlicher wie wölfischer Form heilten meine Verletzungen geradezu obszön schnell), und morgen früh würden sie verschwunden sein. Die Rippen würden trotz meines zellulär rasend schnellen Genesungsvorgangs einen Tag länger benötigen. Körperlich betrachtet war das alles nichts, nur ein Kratzer. Doch alles an mir, das nicht Fleisch war, winselte um eine Ruhepause. Der Vampir hatte in mir, so wie ich wohl in ihm, ein Gefühl größter Verschmutzung hinterlassen. Ich brauchte ein Bad, ein leises Zimmer, ein kühles Bett.
    All das fand ich, wie ich in bescheidener Dankbarkeit festhalte. Nachdem ich mich in der öffentlichen Bedürfnisanstalt in Arbonne so gut wie möglich zurechtgemacht hatte, checkte ich eine Stunde später im Hotel Eugenie ein, gleich östlich der kleinen Gemeinde, und bekam für zweihundertachtzig Euro pro Nacht ein großes Zimmer mit Bad, das ganz rustikal eingerichtet war: beheizter Eichenfußboden, Flickenteppiche, ein eisernes Himmelbett, kabelloses Internet und – Gott beschütze Monsieur und Madame Duval – eine riesige freistehende Badewanne. Dort suchte ich meditative Zuflucht mit einem gekühlten Lappen über den Augen und einer Flasche Château Léoville Barton 1996 (Saint-Julien) als Begleiter. Ich dämpfte das Licht, legte mich in der sanften Wärme des Wassers zurück und wurde zumindest für eine Weile von jenem angenehm einschläfernden Satz besucht:
Komme, was da wolle … Komme, was da wolle … Komme … was …
    Man möchte nicht denken. Man möchte alles Mögliche nicht. Nach kurzer Zeit war die Flasche leer und
Komme, was da wolle
war einem
Und was zum Teufel machst du jetzt?
gewichen. Gute Frage. Die Möglichkeiten bildeten einen kleinen Schlackehaufen. Die Vampire wussten sicher, wo ich war, würden es aber heute Nacht nicht noch einmal versuchen. Jetzt, wo ich wieder unter der Beobachtung der Jagdgesellschaft stand, war das zu riskant. Jacquelines Aufgabe hatte darin bestanden, mich lang genug vom Radar der WOKOP zu holen, um mich zu schnappen. Das hatte nicht

Weitere Kostenlose Bücher