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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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funktioniert. Die
Hecate
musste Aufmerksamkeit auf sich gelenkt haben, wie Cloquet vermutet hatte, daher der schnelle Abflug in die Villa Delon. Mein Glied erhob sich im Badeschaum zu einem Salut in Gedenken an den Sex des Vormittags und sank dann wieder nieder beim Gedanken an Quinns Buch.
    Das hatten die Blutsauger mitgenommen, in der Hoffnung, dass mein Wunsch, es in die Finger zu bekommen, mich am Leben halten würde.
    Ein weiterer Seufzer. So ist das, sagte ich mir. Das Leben ist ständig hinter dir her, wie der betrunkene Langweiler auf der Bürofeier, es stützt sich bei dir auf, bringt dich mit seinen sinnlosen Geschichten fast um, lacht dir mit fauligem Atem über die eigenen witzlosen Scherze ins Gesicht.
    Ich stieg aus der Wanne, trocknete mich mit irritierender Gründlichkeit ab, schnappte mir einen von Eugenies weißen Bademänteln und bestellte mir in einem Anfall von erzwungen fröhlicher Fahrlässigkeit noch eine Flasche aufs Zimmer. Vampire? Jäger? Sollen sie doch kommen, diese Arschlöcher! Und wo wir gerade dabei sind, scheiß auch auf Quinns Buch. Wenn ich es nur dann kriege (die
Wahrheit
, protestierte mein innerer Romantiker, die
Wahrheit
, Jacob, nach all den Jahren …), wenn ich es nur dann kriege, wenn ich mich den kaltblütigen Nadeln und Gewebeprobenentnahmen der Vampirwissenschaften ergab, dann konnte mir das Buch gestohlen bleiben. Natürlich könnte ich es ja auch mit Gewalt versuchen. Ein Werwolf gegen die Fünfzig Familien der Untoten …
    Glas eins von Flasche zwei verschwand in ein paar analeptischen Schlucken. Ich schaltete den Fernseher ein. Eine französische Reality-Show, in der Häuser saniert wurden. Ein Pärchen, das mit grässlich verzogenen Gesichtern über das Wunder ihrer billig hergerichteten Küche flennte. Ich schaltete um.
American Idol
. Noch so eine Verwandlung, diesmal vom Nobody zum Superstar. Vielleicht hatte Jacqueline recht: Die Menschheit holt sich ihre metamorphischen Kicks heutzutage anderswo. Wo ist die Faszination von Männern, die zu Wölfen werden, wenn man die Alchimie sehen kann, die Musköpfe zu Millionären und Gören zu globalen Ikonen macht?
    Ich machte den Fernseher aus und hockte mich auf die Bettkante. Ich spürte, wie die innere Anspannung von mir abfiel, unglaublicherweise begleitet vom dritten Seufzer des Tages (wie vermaledeite Linienbusse; erst kommt ewig keiner, dann gleich drei hintereinander). Nichts hatte sich geändert, beteuerte ich und atmete mit zittrig angeschickerter Würde durch die Nase. Ob Quinns Buch nun echt war oder nicht, seine Existenz jedenfalls würde mich nicht von meinem Plan abbringen. Wenn man zweihundert Jahre lang leben kann, ohne die Lösung des Rätsels der eigenen Natur zu kennen, dann kann man auch ohne sie sterben. Die Menschen legen sich ins Grab, ohne dass irgendeine der großen Fragen beantwortet worden wäre. Warum sollte es Werwölfen da besser gehen?
    Mit dem Wein hatte ich mir auch eine Schachtel Camel bestellt. Ich zündete mir eine an. Das größte Geschenk der Werwölfigkeit ist zu wissen, dass Rauchen einen nicht umbringen kann. Ich goss mir das letzte Glas des Abends ein. Frieden kehrte wieder ein, ein wenig zumindest. Nichts, wiederholte ich, hatte sich geändert. Ich würde die neunundzwanzig Tage bis zum nächsten Vollmond aussitzen, damit Grainer –
    Ach ja. Mit grausamer Verspätung stieg das Bild von Harleys Mörder vor mir auf. Natürlich war sein Auftritt in dem Hubschrauber eine absichtliche Provokation gewesen, die lockere Haltung, das freudlose Indianergrinsen, der spöttische Salut. Es war nicht schmerzlos. Es war nicht schnell. Na komm schon, Jake, hörte ich ihn sagen. Willst du mir sagen, dass du mich wirklich damit durchkommen lassen willst? Es war nicht schmerzlos. Es war nicht schnell.
    Genug. Ich drückte die Kippe aus, schaltete das Licht aus, legte mich aufs Bett. Wann hatte ich das letzte Mal geschlafen? Vor achtundvierzig Stunden? Zweiundsiebzig?
    Wolfsschlamm wälzte sich in meinen Schultern. Als ich dem Junkie die Kehle herausgerissen hatte, hatte sein Leib gezuckt wie in einem wilden Orgasmus. Nun schlurfte sein Geist durch die überfüllte Unterwelt meiner Blutbahn und fand in der murmelnden Menge keinen Freund. Es ist amtlich. Du bist der Letzte. Tut mir leid. Ich schloss die Augen.

33 .
    Drei Wochen sind vergangen.
    Alles hat sich geändert.
    Himmel Herrgott nochmal.

34 .
    Am Morgen nach meiner Nacht im Hotel Eugenie nahm ich den Zug nach Paris und verbrachte die

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