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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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umklammert. Sie wirkte wie eine Auslandskorrespondentin, die mitten in der Reportage von einer Explosion unterbrochen wird. Anfang dreißig, Augen schokoladenbraun, wie ihr Haar, das ihren Kopf in zwei weichen, schulterlangen Wellen umstand. Ein Muttermal oder Schönheitsfleck am Mundwinkel. Weiße Haut, aber mit einer Wärme und Geschmeidigkeit, die doch sicher levantinische oder mediterrane Herkunft verriet? Sicher nicht ›schön‹ oder ›hübsch‹, aber anziehend, wie eine durch die freizügigen modernen Weisheiten verdorbene Salomé. Das hier war ein Mädchen, das seine Eltern geliebt hatten und das sie bei weitem überflügelt hatte. Nun dachte sie an sie wie an Kinder oder einfache Leute. Ich hatte ein Bild von typisch heimwehkranken Immigranten in den Staaten vor mir, wie sie in einer Tür stehen und ihr voller Herzeleid und Stolz zum Abschied winken. Sie trug einen beigefarbenen Regenmantel über einer weißen Bluse und einem braunen Nadelstreifenrock, doch ohne große Anstrengungen (nichts konnte mich davon abhalten) konnte ich sie mir vorstellen, wie sie nackt bis auf einen Rubin im Bauchnabel tanzte. Beim Lippenlesen hatte ich eine Amerikanerin aus ihr gemacht, was noch durch ihren Umgang mit Gepäck, Regenmantel und Handtasche, ihren beiläufigen Anspruch auf nützliche Dinge, verstärkt wurde.
    Während ich all das aufnahm, eilte ihr Verstand in der Tunnelröhre umher und ging hastig die sich auflösende Menschenmenge durch, weil er wusste, dass irgendwo … irgendwo ganz in der Nähe …
    Ich wich in einen der Bahnsteigausgänge zurück, beherrschte mich – nur mühsam –, nicht loszuspringen und Hand an sie zu legen.
Sie!
Das Pronomen überstrahlte alles andere. Das war Erkennen wie aus der hermaphroditischen Zeit vor der Trennung durch Geburt. Als ich Arabella zum ersten Mal im Hotel Metropole sah, hatte mir das Herz höher geschlagen vor Hoffnung und Angst: Hoffnung, das Erkennen würde gegenseitig sein, Angst, es wäre nicht so. Hier war nun weder Hoffnung noch Angst, nur unausweichliche Anziehungskraft, ein Hinfall auf das rein animalische Weibchen, wie die fallende Klinge der Guillotine.
    Herrgott, Jake, hör zu. Es gibt eine Werwölfin.
    Sie schluckte und zupfte sich ein wenig die Bluse vom Körper. Ihr Geruch war eine heiße, wilde Mischung aus parfümierter
femme
und obszönem Wolfsgestank. Noch ganz frisch von der Verwandlung vier Nächte zuvor. Auch sie hatte gefressen. O ja. Der Geist ihrer Mahlzeit war in ihren Augen zu erkennen, auch wenn sie äußerlich ein wenig den Eindruck einer College-Absolventin machte, die ihren Weg in der schockierenden Arbeitswelt machte und entschlossen war durchzuhalten, die Erniedrigungen zu verdauen, die Ungeheuerlichkeiten zu ertragen.
    Am Ende des Bahnsteigs lauerte ein kahlköpfiger WOKOP -Agent. Da es nicht nach Vampir stank, musste ich davon ausgehen, dass sich irgendwo im Bild ein menschlicher Beobachter aufhalten musste, ich hatte ihn nur noch nicht ausgemacht. Wussten die Jagdgesellschaft oder die Untoten von ihr?
Ihr!
Hatte
ich
es nicht die ganze Zeit schon geahnt? Hatte ich mich nicht zahllose Male gefragt: Worauf wartest du noch, Jacob?
    Sie blähte die Nasenflügel auf. Die Verwandlung zum Werwolf hatte sie beinahe umgebracht, aber nur beinahe. Sie hatte die Conrad’sche Wahrheit entdeckt: Das erste Grauen ist: Es gibt das Grauen. Das zweite Grauen ist: Man gewöhnt sich daran. Und in ihren espressodunklen Augen sah ich die Gewöhnung, die Unterwerfung unter die Erfahrungen, die sie in der Stille ihres Herzens gemacht hatte, das Erstaunen über sich selbst, nachdem sie entschieden hatte zu akzeptieren, was sie war, und beschlossen hatte, andere zu töten statt sich selbst. Sie litt nun entsetzlichen Hunger, vollbrachte grausame Taten, hatte begonnen, sich beizubringen, sich selbst zu verzeihen. Man tut, was man tut, denn es gibt nur das oder den Tod. Sie hatte eine Mädchenzeit voller Geheimnisse verbracht, und nun gab es das Große Geheimnis, um das alles zu rechtfertigen. Sie war –
    Immer mit der Ruhe, Marlowe. Denk nach, um Himmels willen! Das Notwendigste. Wusste die WOKOP von ihr? Wie konnten sie nicht von ihr wissen? Harley hatte es gewusst, da war ich mir sicher, und wenn er, warum nicht dann der Rest der Jagdgesellschaft?
    Unmöglich, das herauszufinden. Deshalb musste ich annehmen, dass sie es nicht taten. Und von dem Augenblick an musste ich alles in meiner Macht Stehende tun, damit sie es auch niemals taten.
    Hier geschah noch

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