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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Schritte auf dem Gaumen … Ta. Lu. La.
    »Talulla ist schon schlimm genug«, sagte sie. »Aber zusammen mit ›Demetriou‹ grenzt er ans Lächerliche.«
    Es war Nachmittag, und wir lagen im Bett der edwardianisch eingerichteten Parksuite im New York Plaza, nachdem wir uns gerade zum fünften Mal in ungefähr sechs Stunden geliebt hatten. Ich hatte nie eine Schwester, aber wenn ich eine gehabt hätte, dann stelle ich mir vor, dass ich sie so geliebt hätte wie Talulla: mit Anfang zwanzig, eine genießerische Kapitulation nach Jahren verdorbener jugendlicher Telepathie.
    »Talulla Mary Apollonia Demetriou«, sagte sie. »Wenn du diesen Namen runterrasselst, glauben sie sogar in New York, du redest Vulkanisch.«
    Es hatte keine vierundzwanzig Stunden gedauert, bis ich die Verfolger abschütteln konnte, wenn auch nach einer ermüdenden Saga altmodischen Katz-und-Maus-Spiels. Mit Christians Hilfe verließ ich das Zetter unter einem Stapel dreckiger Laken in einem Wäschewagen im Laderaum des Reinigungsdienstes. Damit hatte ich schon mal die Vampirlakaien abgeschüttelt, aber nicht den Agenten, den ich kaum fünf Minuten, nachdem ich die Reinigung verlassen hatte, in meiner Nähe bemerkte. Christian ist zuverlässig, aber es kann keinen Zweifel mehr daran geben, dass die WOKOP das Zetter unterwandert hat. Drei Stunden U-Bahn und Taxiwechsel (und vier Agenten) später war ich wieder in Heathrow. Ich war mir zwar sicher, sie abgeschüttelt zu haben, aber das war mir egal, so sehr trieb mich der Wunsch, Talulla wiederzusehen. Ich flog unter dem Namen Bill Morris in der Businessklasse (ein am Flughafen gekauftes Erster-Klasse-Ticket hätte mich sofort verraten) und hatte den ganzen Atlantik über Zeit, meine Lust zu hegen und zu pflegen. Als sie mit Sonnenbrille und in einem blassrosa Kaschmirkleid die Hotellobby betrat, war ich völlig aufgewühlt. Angesichts dieser Umstände hätte man wohl mit einem Einstand rechnen können, bei dessen gymnastischen Verrenkungen einem die Augen übergehen. Tatsächlich aber gingen wir langsam, äußerst bewusst und zögernd zu Werke. Man hätte auch damit rechnen können, dass wir uns sofort der Werwolfbiographie widmen und Erfahrungen austauschen würden. Nein. Ganz reflexhaft schoben wir das vor uns her. Davon zu reden, was wir waren, würde auf lange Sicht bedeuten, vom Tod zu reden. Wir hatten nur diese eine Chance, so zusammenzukommen, als würde der Rest der Welt nicht existieren. Danach würde die Rose vergiftet sein.
    Wolf
war bei uns
. Wolf
wusste, was los war.
Wolf
wollte daran teilhaben, ganz körperlich.
Wolf
trieb sich im Blut herum, stieg wiederholt auf, nur um an der Hautoberfläche zu nichts zu verpuffen.
Wolf
schüttelte den Schädel, ließ seine degenerierte Zunge heraushängen, umhüllte uns mit seinem Wildgestank wie in einem überfüllten Zoo. Wenn er schon sonst nichts aus uns herausbekam, so doch zumindest das Eingeständnis, dass wir wussten, was wir waren, dass wir beide den Frieden spürten, den gegenseitiges Verstehen spendet, dass dies hier, der Sex in Menschenform, nur der mit Makeln behaftete Vorläufer, der brabbelnde Prophet, der Täufer des kommenden Christus war.
Wolf
wusste, wie gut es werden würde, und er verschonte uns selbst in seiner Abwesenheit nicht mit diesem Wissen. Wir wussten es, hatten es vom ersten Augenblick am Flughafen gewusst, schon immer.
    Sechs Opfer zählte ich. Noch so wenige, dass jedes einzelne davon als Duftnote vorhanden war, Geisterspuren sich im warmen satten Duft ihrer Vagina fanden, auf der heißen Blume ihres Atems. Sie würde mir schon beizeiten davon berichten, das wussten wir beide. Noch war das Ganze eine verschleierte Obszönität. Meine eigenen klagenden Toten waren voller Ungläubigkeit über die gebrochene Übereinkunft im rasenden Blut verschwunden. Nur Arabellas Geist blieb still und injizierte mir –
    So?
    Ja, genau so. Nicht aufhören. Nicht aufhören.
    Wir fanden Möglichkeiten. So ist nun mal die Geschichte, die menschliche Geschichte, die Werwolfgeschichte, die Lebensgeschichte: Man findet Möglichkeiten. Sich langsam zu küssen war eine Möglichkeit. Talulla hatte zwar dunkle Haare und Augen, aber eine helle Haut, ein sinnlicher Kontrast, der immer wieder neu begriffen werden musste. Alles an ihr (besser gesagt, meine Lust) verlangte diese Wiederholung, diese Rückkehr. Der Schönheitsfleck an ihrer Lippe war nur einer von etwa einem Dutzend auf ihrem ganzen Körper. Meine neuen Sternbilder. Es gab keine

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