Der letzte Weynfeldt (German Edition)
als die Russin, obwohl er Asiatinnen schlecht schätzen konnte. Auch sie hatte er bei gleicher Gelegenheit kennengelernt.
Es war sechs Uhr früh. Er wusste nicht, wie lange er schon geschlafen hatte. Sie waren zwar verhältnismäßig früh nach Hause gekommen, er hatte die beiden Frauen bereits vor zwei Uhr mit je zwei Extraflaschen Champagner beim Geschäftsführer losgeeist, aber man war nach dem Eintreffen in der Wohnung natürlich nicht sofort eingeschlafen.
Es war also sechs Uhr früh, als es klingelte. Pedroni reagierte nicht. Er erwartete niemanden. Schon gar nicht um diese Zeit.
Es klingelte wieder. Er reagierte wieder nicht. Könnte ja sein, dass er gar nicht zu Hause war. Hätte ja sein können, dass er mit Svetlana oder Salo mitgegangen wäre. Dann hätte er die Klingel auch nicht hören können.
Er rührte sich also nicht, was ihm nicht schwerfiel.
Jetzt klopfte es an der Wohnungstür.
Bis jetzt hatte er geglaubt, wer immer es sei, befinde sich auf der Straße unten an der Haustür. Jetzt wusste er, dass das nicht der Fall war. Es musste sich also um einen Nachbarn handeln. Noch weniger Grund, über Svetlana oder Salo zu klettern, um sechs Uhr früh.
Es klopfte lauter. Und jetzt vernahm er eine dumpfe Männerstimme. Sie sagte seinen Namen. Sie sagte etwas von »kein Sinn« und »wissen, dass Sie da sind«. Und etwas von »Polizei«.
Polizei?
Polizei.
Er stand also doch auf. Kletterte über Svetlana, trat ihr auf die Haare, woraufhin sie etwas Lautes auf Russisch sagte, fand seine Hose und schlüpfte hinein.
Das Klopfen war unterdessen lauter geworden und die Stimme grober.
Die Polizei? Es konnte sich nur um einen Irrtum handeln. Oder um eine der beiden Besucherinnen. Bestimmt nicht um die eins Komma zwei. Weynfeldt hatte zu viel zu verlieren, um ihn anzuzeigen.
»Moment!«, sah er sich jetzt gezwungen zu rufen, denn die Stimme sagte etwas von »mit Gewalt Zutritt verschaffen«.
Er drehte den Schlüssel und sah sich einer gewaltigen Übermacht Polizisten gegenüber. In zwei Sekunden trug er Handschellen, in zehn hatten sie Svetlana und Salo gefunden und in etwa fünfzig die eins Komma zwei. Sie befanden sich noch immer in Weynfeldts Köfferchen. Und dieses stand unten in seinem Kleiderschrank. Minus sechstausend für die laufenden Ausgaben der letzten zwölf Stunden.
Das alles nahm er nur gedämpft durch die pulsierende Schaumschicht seines Katers wahr. Und von weit weg hörte er sich immer wieder sagen: »Ich möchte einen Fall von schwerem Kunstbetrug anzeigen.«
39
Wenn Adrian Weynfeldt bereits die Regelmäßigkeit an sich als lebensverlängernde Maßnahme betrachtete, galt dies natürlich besonders für die Regelmäßigkeit gesundheitsfördernder Aktivitäten. Deswegen hielt er sich seit der Fertigstellung des Fitnessraums jeden Morgen vor dem Frühstück eine halbe Stunde in diesem auf.
Jede der muskelbildenden Kraftmaschinen hatte er nur einmal benutzt und dann beschlossen, es auch in Zukunft seinem Schneider zu überlassen, etwas für seine Figur zu tun.
Aber eines der Geräte hatte es ihm angetan: Der Crosstrainer. Ein schwarzes Ungetüm mit einem großen Schwungrad, das man wie die Räder einer Dampflok mit zwei Kuppelstangen in Umlauf brachte. Diese besaßen zwei Plattformen, eine für jeden Fuß, und zwei Stangen, eine für jede Hand. Mit den Armen rudernd und mit den Beinen tretend, bewegte man das Rad und schritt flott aus in einem runden, harmonischen Bewegungsablauf.
Natürlich war das Gerät mit Elektronik und Displays ausgestattet, es ließen sich verschiedene Trainingsabläufe programmieren, verschiedene Schwierigkeitsgrade und Widerstände. Aber das alles überforderte Adrians technisches Talent, er begnügte sich damit, den Senderbrustgurt umzubinden, auf die Schnellstarttaste zu drücken und eine Viertelstunde zu gehen, ohne dass sein Puls unter fünfundachtzig fiel oder über hundertvierzig stieg, seinem ärztlich empfohlenen Herzfrequenz-Trainingsbereich.
Auf diesem Crosstrainer bewegte sich Adrian Weynfeldt, während von den kleinen Boxen an der Decke eine Kompilation der, laut Luc Neri, am besten fürs Jogging geeigneten klassischen Musik erklang. Im Moment gerade die Ouvertüre zu Rossinis Wilhelm Tell . Es war so gegen sieben Uhr früh, ein regnerischer Tag im Juni. Der exzentrische Frühling mit seiner Achterbahnfahrt aus Winter-und Tropentagen war in einen dauerregnerischen Sommer übergegangen.
Die Ereignisse lagen kaum drei Monate zurück, aber
Weitere Kostenlose Bücher