Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
nicht, als sie der Berg zur Vordertür führte und sich immer und immer wieder entschuldigte, was jedoch bei dem Pfeifkonzert der anderen Männer kaum zu verstehen war.
26
Weg da, Mutley
I
Dub wartete im Wagen, hörte sich geduldig eine Comedy-Sendung im Radio an und behauptete, es mache ihm nichts aus.
Paddy sah noch einmal in ihren Notizen nach, las die Hausnummern auf den Türen gegenüber und war sicher, dass dies Nummer acht war. Dub hatte immer behauptet, Wohnungsneid sei ein sicheres Zeichen vorzeitigen Alterns. Allein bei dem Anblick des Hauses lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
Genau so hätte sie sich Eriskay House gewünscht: Mitten in der Stadt, wunderbar in Schuss und absolut riesig. Ein Spalierbogen an der Straße war mit Rosen bewachsen, deren bereits verblühte Blätter den Bürgersteig und den Weg zum Haus sprenkelten.
Überall an der asymmetrischen Fassade, an jeder Kreuzblume und jedem Türgriff fanden sich Verzierungen im Stil des Arts and Crafts Movement, kleine perfekte Details, die auf Klasse und Geschmack schließen ließen, Eichenblätter und Eicheln waren in Unterbalken geschnitzt, Gesichter aus Stein herausgearbeitet, und eine vorüberhuschende Eidechse zierte den Türrahmen. Rechts neben dem Gebäude befand sich ein gläsernes Gewächshaus, Blätter üppiger Pflanzen pressten sich von innen an die ergrünenden Fenster. Sie machte halt, um durch die Scheibe zu sehen, und entdeckte Träger mit Setzlingen und blühende Topfpflanzen auf einer Bank.
Die Türglocke war aus Keramik und ließ einen altmodischen Gongschlag im Hausflur ertönen. Sie wartete, sah noch einmal zur Straße hin und zu Dub, der alleine lachend im Wagen saß.
Ein junges Mädchen, dessen blondes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden war, öffnete die Tür mit frischer, herzlicher Miene und gab Paddy damit das Gefühl, schäbig, dick und alt zu sein.
»Paddy Meehan?«
»Hi.«
»Kommen Sie rein, kommen Sie rein.« Sie kicherte fast vor Freude, als Paddy hereinstapfte. »Mum arbeitet noch, ob Sie’s glauben oder nicht.«
Im Flur befand sich der Treppenaufgang aus warmem rotem Holz, so reich verziert, dass die Details einer gotischen Kirchenbank alle Ehre gemacht hätten, Mäntel hingen ehrfurchtslos über zarten Kreuzblumen. Ein altes, klobiges schwarzes Telefon stand auf einer zierlichen Blumenbank. Auf dem Steinboden lagen Gummistiefel, Sandalen, zerkaute Tennisbälle und eine Leine. Es roch nach Hund.
Das Mädchen führte sie links der Tür durch einen schmalen Dienstbotengang, der die Zimmer miteinander verband, in ein mit Papieren und postergroßen Buchtiteln übersätes Büro. Französische Fenster ließen auf einen Garten und einen Labrador blicken, der draußen in der Vorabendsonne vor sich hin döste und verträumt den Schwanz auf den Boden schlug.
Joan Forsyth stand auf, um sie zu begrüßen. Sie war die burschikose Version eines hübschen Mädchens, bereits Mitte vierzig, aber noch immer strotzend vor Kraft. Sie trug ein weißes, tailliert geschnittenes Hemd, dessen Kragen sie, wie Rugbyspieler es zu tun pflegen, hochgestellt hatte. Ihr Haar war gepflegt zerzaust, dicht und blond, nur wenige weiße Spuren an den Schläfen. Sie trug eine teuer wirkende grüne Stoffhose mit zartgelbem Karomuster.
»Hallo.« Sie stützte sich mit einer Hand auf den Schreibtisch, ergriff Paddys Hand mit der anderen, schüttelte sie einmal fest und ließ sie wieder los. »Setzen Sie sich, bitte.«
Sie wartete, bis Paddy saß, warf ihr ein weiteres Lächeln zu und bot ihr Tee an.
»Oh, das wäre wunderbar, danke«, sagte Paddy.
»Darjeeling?«
»Ja, gerne.«
»Tippy.« Sie sprach ihre Tochter an. »Eine Kanne Darjeeling und zwei Tassen, bitte.«
Tippy nickte Paddy gespielt beleidigt zu. »Sie benutzt Sie als Vorwand, um mich herumzukommandieren.«
Paddy tat, als wäre ihr das scheißegal, und entgegnete ironisch: »Tut mir leid.«
»Macht nichts«, sagte Tippy liebenswürdig, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand in dem dunklen Flur.
»Sie sind also Paddy Meehan?«
Der Labrador war wach, schnüffelte an der Tür, aber Joan Forsyth beachtete ihn nicht.
»Ja, das bin ich. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich Sie hier überfalle, aber ich wollte mit Ihnen über Terry Hewitts Buch sprechen.«
»Gut«, nickte sie und wartete, dass Paddy fortfuhr.
»Kannten Sie Terry persönlich?«
»Ich kannte Amy, seine Mutter. Wir waren zusammen in Perthshire auf der Schule. Er kam mit einem Vorschlag für ein
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