Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
erkundigt hatte. »Das Foto von McBree gefällt keinem. Das hab ich schon kapiert.«
Er trat näher an sie heran, schob sich ganz dicht zu ihr hin. »Meehan, Paddy, wenn ich Sie so nennen darf.« Er kam ihr so nahe und seine Stimme war so leise, dass sie einen Augenblick lang glaubte, er wolle sie küssen. »Das Bild …« Er schüttelte den Kopf und hielt inne, starrte die Mülltonnen an. Er trat zurück und hob eine Hand. »Das hier ist mein Büro, wissen Sie. Diese Bar, dieser dreckige Hinterhof. Hier mache ich meine Geschäfte. Ich fand’s ziemlich aufregend, als Sie mich neulich hier besucht haben. Ich weiß nicht, wer Ihnen erzählt hat, ich sei der richtige Mann, aber wer immer es war, er hat sich geirrt.« Sein Gesicht lachte, doch seine Augen taten es nicht. »Das war ich mal, aber jetzt …«
Sie merkte, dass Donaldson ein bisschen betrunken war. Dadurch wirkte er lebhafter als neulich, lockerer und es stand ihm gut.
»Was machen Sie in Schottland?«
»Ach, ich bin draußen. Die haben mich weggeschickt. Früher war ich der König der Sweetie Bottle Bar. Hab mit allen gesoffen, Befehle erteilt. Wenn sich eine Frau Sorgen um ihren Jungen machte, kam sie zu mir und bat mich um Hilfe …« Er hielt inne, sah sie wieder an, starrte ihr auf die Brüste, wie das jeder Mann, der sich einer Frau gegenübersieht, alle sieben Sekunden tut.
Sie rieb sich kreisförmig mit der Hand über den Bauch, merkte, dass es ihr guttat.
»Die Sweetie Bottle Bar?«
Mit der Erinnerung an bessere Zeiten, in denen er noch etwas zu sagen hatte, wurde sein Gesichtsausdruck freundlicher. »Sie kennen die Sweetie Bottle Bar?«
»Nein, nur … Ist ein guter Name. Ich habe im Archiv Artikel über Ihren Sohn gelesen. Tut mir leid.«
»Ja.« Er ließ sich nichts anmerken. Er musste es schon hundertmal gehört haben.
Sie starrten einander in der Düsternis des Abends an, beide dick und unförmig, beide verzweifelt wegen ihrer Söhne.
»Was soll ich mit dem Bild machen?«
Er antwortete rasch. »Verbrennen.«
»Sonst bringt mich einer von euch um?«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Wir nicht.«
»McBree kam zu mir nach Hause. Er hat mich bedroht. Ich hatte Glück. Mein Sohn war nicht zu Hause und ich war nicht allein, sonst weiß ich nicht, was er getan hätte.«
»Wir töten keine Journalisten.«
»Vor einem Monat habt ihr die Börse in die Luft gejagt.«
»Eine halbe Stunde vor der Explosion wurden vierzehn verschiedene codierte Warnungen herausgegeben.«
»Wollen Sie sagen, McBree arbeitet alleine?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Warum lässt ihn die Polizei in Ruhe?«
Er wirkte überrascht, als er das hörte, sah sie skeptisch an und wandte sich zur Tür. »Tut sie das?«
»Jedenfalls hat mich ein Detective Chief Inspector verwarnt.«
Donaldson sah zur Tür, blickte zu ihr, auf den Boden und setzte die Teile dann im Kopf zusammen, was ihn offensichtlich wütend machte. Was auch immer es war, er schüttelte den Kopf, sah erneut zur Tür und wieder zu ihr. Er hatte feuchte Augen. »Die hören nicht auf mich.«
»Wer?«
Aber er schüttelte nur noch einmal den Kopf. Seine Stimme klang angespannt, als er weitersprach. »Wissen Sie, Miss Meehan, wenn ich eine Journalistin mit ausgeprägter Todessehnsucht wäre, dann würde ich auch fragen, wer der andere Mann auf dem Foto ist.« Er nickte zur Tür. »McBree wird erfahren, dass Sie hier waren. Er wird es als Provokation betrachten und wissen wollen, was Sie mir erzählt haben. Vielleicht ruft ihn jetzt gerade jemand an. Er hört alles.«
Er wandte sich ab, atmete tief durch, blinzelte die Traurigkeit aus den Augen und stieß die Tür auf. Er ging zurück ins Licht und in den Lärm. Die Tür schlug hinter ihm zu.
Sie stand alleine in dem dunklen, widerlichen Hinterhof und hörte, wie auf der anderen Seite der Mauer ein Bus rumpelnd vorbeifuhr. Irgendwo bellte ein Hund und sie dachte einen Augenblick darüber nach, was er gesagt hatte. McBree handelte im Alleingang, weil er etwas zu verbergen hatte, und was auch immer sein Geheimnis war, Kevin hatte es auf seinem Foto abgelichtet. Der dicke Mann im Anzug.
Ihre Lunge schmerzte noch immer, aber sie verspürte frische Energie, als sie den Hof nach einem Hinterausgang absuchte. Doch die Mauer, die den Hof umgab, war solide und das Tor verschlossen.
Sie musste an die Notausgangstür klopfen und warten, bis der Berg sie hineinließ. Der Trainingsanzug war verschwunden und Donaldson stand wieder an der Bar, beachtete sie
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