Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
James wäre mein Freund, aber das war er nicht. Ich übernehme die volle Verantwortung für das, was passiert ist. Der Kleine hat geheult, und James hat ihm die Kehle zugedrückt, damit er aufhört. Wir haben an der Leiche rumgemacht, damit er wie jemand anders aussah. Es tut mir für die Familie leid, für die Mutter des Kleinen und seine Familie. Mir tut leid, was ich getan habe. Ich werde versuchen, in Zukunft ein gutes Leben zu führen. Mein Traum ist es, in einer Fabrik zu arbeiten und eine liebevolle Familie zu haben.
Die letzte Version gefiel allen am besten, aber zehn Jahre später waren sämtliche Fassungen gleichermaßen wahr.
Wenn er alleine war und sich daran erinnerte, fielen ihm nur noch James’ funkelnde schwarze Augen ein, wie er selbst über dem winzigen zusammengesunkenen Körper im nassen Gras stand, ihm der kalte Wind über das Gesicht strich und er an der Böschung stand und zum Transporter zurücksah. Hinter ihm James, der Geräusche machte und kicherte.
Wenn er sich jetzt daran erinnerte, stand Callum an der zugigen Böschung und sah auf das Gras vor sich. Es war von den Füßen all der Menschen zertrampelt, die dort hingekommen waren, den Psychiatern, den Sozialarbeitern, den Gefängnisaufsehern, die freundlich Fragen stellten und die Geschichte dann an Zeitungen verkauften oder an andere Gefangene, die ihn hinterhältig aushorchten und sich für Einzelheiten interessierten, die sie nicht interessieren sollten.
Du Schwein.
Haversham hatte allmählich genug von Callums Rückenansicht. Er klopfte wieder gegen die Tür, hatte seine Meinung gesagt und zog nun weiter, um Hughie zu quälen.
Callum machte sich in Gedanken wieder auf den Weg. Von der Tür trat er hinaus in den Hof, überquerte den Hof zum Gebäude der Aufseher, einmal außen herum auf dem Betonweg, nicht das Gras betreten. Dafür brauchte man dreißig Schritte, vielleicht sogar etwas über dreißig. Früher war er nie so gewesen. Am Gras entlang zur Tür nach draußen. An der Tür würden sie warten müssen, bis der Summer ertönte. Die Wärter hatten keine Schlüssel für die Tür, für den Fall, dass sie als Geiseln genommen wurden. Sicherheitszonen. Drinnen würde es warm sein, die Heizung wäre für das Wachpersonal hochgedreht worden. Wahrscheinlich gab es ein Wartezimmer. Wahrscheinlich Plastikstühle. Vielleicht Plakate. Und dahinter eine unbekannte Anzahl von Schritten bis zum Haupttor. Durch eine weitere Tür. Hinter ihm würde abgeschlossen werden. Die nächste Tür und raus, raus in die Helligkeit, die ihm in den Augen brannte und den ungebremsten Wind, der ihm salzig entgegenschlug. Hinaus in eine Welt voller Havershams.
Niemand würde ihn durch die letzte Tür begleiten. Er wäre das erste Mal seit seinem zehnten Lebensjahr unbeobachtet. Er wusste nicht, was er tun würde.
Er sah noch einmal auf die Worte an der grauen Wand.
Superspizel.
Callum hatte seine eigene Botschaft schon geschrieben. Monate hatte er dafür gebraucht. Er hatte alle Buchstaben feinsäuberlich in die Wand geritzt und auf die Rechtschreibung geachtet. Jetzt war es fertig. Er konnte jetzt gehen. Callums Botschaft lautete:
Angebranntes riecht immer gleich.
6
Peng Peng
I
Pater Andrew war mit seinem weichen Dubliner Akzent, seinem fein geschnittenen schmalen Gesicht und den grünen Augen der Traum einer jeden irischen Mutter. Als er nach St. Columbkille kam, hatte er gerade die Priesterschule abgeschlossen. Um jungen Menschen die frohe Botschaft näherzubringen, erlaubte er allen, ihn beim Vornamen zu nennen, setzte Gitarren bei der Messe ein und ließ schüchterne Teenager lautlos Bittgebete sprechen. Doch die Gemeinde bestand hauptsächlich aus älteren Menschen und das Ungewohnte gefiel ihnen nicht. Sie begehrten auf, beschwerten sich beim Bischof, und schon bald beschränkten sich Pater Andrews’ radikale Reformen auf die gelegentliche Erwähnung eines längst abgemeldeten Popstars und das Tragen eines Priestergewands mit hinten aufgesticktem Regenbogen. Paddy betrachtete ihn als Reinfall. Sie hätte mehr Mitleid mit ihm gehabt, wenn er in seinen Predigten weniger häufig gegen unverheiratete, berufstätige Mütter, Homosexualität und Sex vor der Ehe gewettert hätte.
Er öffnete die Arme und sah zu dem riesigen Gipsjesus auf, der über dem Altar hing. »Gehet hin in Frieden, liebet und dienet dem Herrn.«
Der Organist spielte die ersten Takte von »Wie groß bist du« und ehe sie sichs versah, sang Paddy mit jener seltsam
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