Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
zurückhaltenden Falsettstimme, mit der sie ausschließlich in der Kirche sang. Pete kicherte an ihrer Seite, und sie knuffte ihn mit dem Ellbogen.
Der Priester und die Messdiener nahmen vor dem Altar Aufstellung und zogen in einer Prozession den Mittelgang entlang, woraufhin sich ihnen die versammelte Gemeinde anschloss. Pete rutschte sofort von der Kirchenbank, als die Prozession an ihnen vorübergezogen war. Er wollte unbedingt dem pummeligen Messdiener mit den fettigen Haaren nahe sein, der sein Held war: Das war BC, der nach seinem Großvater benannt worden war. Seit Con Senior gestorben war, ertrug es niemand mehr, ihn beim Namen zu nennen. Baby Con hatte ebenso schnell den Namen gewechselt, wie sich die Dynamik innerhalb der Familie verändert hatte.
Da die Jungen samstagabends bei Trisha übernachteten, wäre es kompliziert geworden, hätte Paddy darauf bestanden, dass Pete nicht zur Messe ging. Abgesehen davon, dass sie Konflikte mit ihrer Mutter vermeiden wollte, plagte sie auch die abergläubische Angst, die organisierte Religion könnte künftig in Petes Augen einen romantischen Reiz entfalten, wenn sie nicht dafür sorgte, dass er sie bereits als Kind wenigstens ein kleines bisschen sattbekam. Er war nicht getauft und hasste das langweilige Getue bei der Messe, wollte aber trotzdem Messdiener werden wie sein Cousin. Er wollte alles sein, was sein Cousin war. Er trottete vor Paddy den Gang entlang, schlängelte sich durch das Gedränge der Familien, um BC näher zu kommen, dessen Rücken er bewundernd anstarrte.
Paddy versuchte ihn an der Schulter festzuhalten, folgte ihm und fürchtete, ihn zu verlieren.
Vor ihnen stand Pater Andrew zwischen den Türen, hielt die Hand einer alten Frau, führte sie am Handgelenk aus der Tür und verabschiedete sie mit einer Segnung. Seine Augen ruhten auf Paddy, befahlen sie zu ihm. Er hatte sich bereits dieselbe leicht verächtliche Einstellung seinen Gemeindemitgliedern gegenüber zu eigen gemacht, wie viele ältere Priester. Manche von ihnen waren zynisch wie Stripperinnen.
Durch die Tür hindurch und an Pater Andrew vorbei sah Paddy Sean Ogilvy draußen im warmen Sonnenschein. Sean Ogilvy stellte sich schwankend auf die Zehenspitzen, um sie im Innern zu entdecken, er trug seinen Sonntagsanzug und sein dunkler Haaransatz wich bereits aus seinem Gesicht.
Pater Andrew griff durch die Menschenmenge hindurch und ergriff Paddys Hand, gerade als sie an ihm vorbeiwollte und zog sie zu sich. »Gütiger Gott, was musste ich da in deinem Artikel lesen?«
»Na ja.« Sie wich seinem Blick aus und wollte weiter zu Sean.
»Großer Gott, das darf nicht wahr sein.« Pater Andrew hatte ihre Hand fest gepackt. Er sah Paddy eindringlich an. Dann setzte er, wie er es immer tat, hinzu: »Ich werde für dich beten, Patricia.« Er wuschelte Pete durchs Haar. »Und für dich auch, mein Sohn.«
Wäre Pete nicht dabei gewesen, hätte sie Pater Andrew gegen das Schienbein getreten und so getan, als sei es ein Versehen gewesen. Stattdessen schlug sie die Augen nieder. »Und ich bete für Sie, Pater.«
Oben an der Treppe machte sich Pete los und rannte zu Sean und dessen vier Kindern. Sie waren jünger als er und deshalb nicht so interessant wie BC, aber er konnte sie herumkommandieren, und sie liebten ihn – besonders jetzt, da er ans andere Ende der Stadt gezogen war und sie ihn nicht mehr ständig sahen. Mary, die Älteste, und Patrick hingen an seinen Armen und glucksten vor Freude, ihn zu sehen.
Um die Frauen herum versammelte sich eine Traube von Kindern, die sich alle schläfrig nach der langweiligen Messe an den Beinen ihrer Mütter festhielten, einander anstarrten oder Steine vom Boden zu essen versuchten.
Sean nahm Paddy am Ellbogen und zog sie beiseite. Er blickte grimmig drein.
»Morgen früh, okay?«, flüsterte er.
»Morgen?«
Er verdrehte die Augen. »Sag nicht, dass du nicht kannst.«
»Nein, nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich kann schon, ich kann. Ich hätte bloß nicht gedacht, dass es so schnell geht. Gestern Abend hatte ich einen Journalisten an der Haustür, der mich nach dem Entlassungstermin gefragt hat. Wollte wissen, ob er bei dir wohnen wird.«
»Scheiße.« Sean sah sich um und hoffte, dass niemand gehört hatte, wie er im Kirchhof fluchte. »Ich brauche dich, du kennst jeden, du wirst sie auf dem Parkplatz erkennen. Ich kenne die Gesichter nicht.«
Elaine sah sie an, deshalb winkte Paddy ihr zu. Elaine hielt Baby Mona auf der Hüfte und
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