Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
Vom Netzwerk:
Männer sahen sich nach jemandem um, mit dem sie Streit anfangen konnten. Sie waren eine neue Bande; die Londoner Geschäftsleitung des Standard hatte gemerkt, dass die Schotten unersättlich nach Zeitungen gierten und hatten die schottische Ausgabe der Zeitung umgestaltet, indem sie mehr lokale Geschichten unterbrachten und ›Schottisch‹ in den Titel aufnahmen. Die beiden größten Arschlöcher der Branche wurden als Chefredakteure eingesetzt: Jinksie und Macintosh, die jeweils bei der News und dem Express gearbeitet hatten. Keiner von beiden hatte sich je mit Ruhm bekleckert und niemand verstand, weshalb ausgerechnet sie die begehrten Jobs bekommen hatten. Die Geschäftsführer des Standard hatten in beiden Männern etwas entdeckt, das allen anderen entgangen war: Sie waren beinahe krankhaft kleinlich. Keine persönliche Marotte war zu belanglos, um gedruckt zu erscheinen, keine Geschichte zu geschmacklos, kein Einzelfall zu tragisch, um an die große Glocke gehängt zu werden. Die Verkaufszahlen stiegen rasant an.
    Paddy hatte gerade lange genug an dem Tisch gesessen, um die Speisekarte zweimal zu lesen und sich ein paar Antworten auf Kecks Bemerkungen einfallen zu lassen, als George McVie einen theatralischen Auftritt hinlegte, indem er die Eingangstür gegen die Wand knallen ließ.
    Er hielt kurz inne, zog alle Blicke auf sich und sah seinerseits die Gaffer im Raum grimmig an. Die Natur, die Zeit und sein Temperament sorgten bei ihm insgesamt für eine entsetzlich finstere Miene. Sein Gesicht und seine Haltung passten sich dem ganzen Elend ebenso geschmeidig an wie Frischhaltefolie einer Tasse. Die betrunkenen Journalisten von der Mail johlten und klatschten ein bisschen, eigentlich aber nur, um die anderen am Tisch des Standard zu nerven. McVie missverstand die Begrüßung absichtlich als Gratulation zu einer großartigen Ausgabe: In der Mail on Sunday desselben Tages war ein Richter des High Court, der in Edinburgh Jagd auf Strichjungen gemacht hatte, der Homosexualität überführt worden. Sie hatten die Geschichte seit Monaten recherchiert, was heutzutage nur noch selten vorkam, und McVie konnte zu Recht einen Teil des Verdienstes für sich beanspruchen, da er die Mittel bewilligt hatte. Der Applaus erstarb, als er seine Hand bescheiden triumphierend hob, und wurde von Buhrufen vom Standard- Tisch abgelöst. Einer der Standard- Leute formte einen Lautsprecher mit den Händen und brüllte: »Schwuchtel.«
    McVie verweilte an der Tür, als wäre er ohne Hosen hereingekommen. Paddy stand auf und rief zu ihm herüber. Der Schlauberger vom Standard titulierte sie ebenfalls als »Schwuchtel« und erhielt dafür eine Runde Applaus von seinem Tisch, obwohl die Beschimpfung für sie weder treffend noch beleidigend war.
    »Ihr werdet in eurer Redaktion gebraucht«, sagte sie ruhig und, wie sie fand, mit großer Würde. »Bestimmt hat irgendwo jemand die Unterhose runtergelassen.«
    Die Jungs von der Mail brachen in Gelächter aus und warfen Brotkrumen zum Standard- Tisch hinüber. Die beiden Verliebten hörten auf, einander anzusehen, blickten um sich und begriffen urplötzlich, dass sie sich auf keinem Vergnügungsdampfer, sondern auf einem Piratenschiff befanden. Die Kellnerin stand an der Seite und kaute nervös am Kragen ihrer Bluse.
    McVie kam durch den Raum auf Paddy zu. Er küsste ihre Hand auf eine Art, die das Treffen genauso inszeniert wirken ließ, wie es war.
    »Reicht schon«, nuschelte sie. »Setz dich, verdammt nochmal.«
    Er ließ die Schultern hängen und sein perfekt geschnittenes Sakko glitt an seinen Armen herunter in seine Hände. Er drapierte es sorgfältig über der Stuhllehne, ließ das elektrisch blau leuchtende, seidene Innenfutter aufblitzen und flüsterte: »Soll ich wieder gehen?«
    Er setzte sich ihr gegenüber. Wenn sie den Chefredakteur einer konkurrierenden Zeitung traf, würde jeder, der davon hörte, denken, Paddy würde abgeworben werden. Wenn sie mit ihm zu Abend aß, sah es aus, als wolle er ihr mehr Geld bieten, als sie bei der Daily News bekam. Bunty, der Chefredakteur der News, war erst seit einem Jahr auf dem Posten, aber die Verkaufszahlen sanken stetig. Niemand bekam eine Gehaltserhöhung, aber wenn er glaubte, seine geliebte Misty sehe sich nach anderen Ufern um, würde er es sich vielleicht noch einmal überlegen.
    »Aber du zahlst, ja?«, sagte er.
    McVie war inzwischen reich wie ein Gott und hätte die Rechnung aller Anwesenden übernehmen können, ohne dass ihm auf

Weitere Kostenlose Bücher