Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
wirken. Der Geruch von warmem Schinken und Lauch hing in der verrauchten Luft.
Paddy spürte die Blicke, als sie über den Schieferboden klapperte. Ihre hohen Absätze kündeten ebenso effektiv von ihrem Eintreffen wie Kanonenschüsse. Merki winkte ihr aus einer Ecke zu, sein schwarzes Haar wirkte heute besonders schmierig. Sie winkte zurück und hörte eine Stimme von der Bar:
»Ws machdi Schlambe hier?«
Sie drehte sich um und sah, dass die Stimme zu einem langen Kerl mit verbitterter Miene gehörte, der sich über ein Pint Stout beugte. »Abend, Keck.«
Keck setzte sich auf, sah sie an, nahm einen Schluck von seinem Drink und ließ sich zu keiner Antwort herab. Die Zeit war nicht freundlich zu ihm gewesen: Sein Gesicht sah aus wie eine abgeschabte Geldbörse, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Handtasche einer Achtzigjährigen herumgefallen war. Sie starrten einander an, bis er sich abwandte. Keck war Sportreporter, ein guter Sportreporter und er wäre ein noch besserer, stünde ihm seine Persönlichkeit nicht im Wege. Sobald sich eine Gelegenheit ergab, ihm zu kündigen, flog er überall raus. Er hatte ein gutes Stück Tresen für sich alleine, auf beiden Seiten über einen Meter.
Paddy sah ihm ins Genick und zögerte. Eigentlich hätte sie zu ihm gehen und mit ihm um Terry trauern sollen: Sie waren alle zusammen jung gewesen und hätten Freunde werden können. Aber Keck wusste wahrscheinlich längst, dass Terry tot war. Es hatte in allen Zeitungen gestanden und war auch in den Fernsehnachrichten gebracht worden.
In diesem Moment nahm sie ein anderes Augenpaar wahr, das sie nicht direkt ansah, sie aber im Spiegel hinter der Bar beobachtete, wütende, angsterfüllte Augen, die sie zusammengekniffen und verstohlen musterten. Detective Chief Inspector Alex Knox kannte sie und sie kannte ihn: ein Mann mit fahler Haut, der sich von Verbrechern bestechen ließ, Ermittlungen einleitete und verschleppte, wie es ihm und seinen eigenen Interessen zuträglich war. Sie beobachtete ihn seit Jahren, wusste, dass er gefährlich war, doch sie hatte nie auch nur ein Fitzelchen eines Beweises gegen ihn in der Hand gehabt. Die Polizeibeamten, die unter ihm arbeiteten, waren zu eingeschüchtert, und er hatte es vermieden, anderen Journalisten auf den Schlips zu treten, deshalb war kein einziger Redakteur bereit, sie bei ihren Ermittlungen zu unterstützen. Knox tat nie etwas, das eine Schlagzeile wert gewesen wäre: Er gab nicht mit seinem Reichtum an oder ließ sich bei Boxkämpfen in der Gesellschaft Zigarre rauchender Auftragskiller blicken. Verzweifelt hatte sie sogar versucht, in der Press Bar Gerüchte über ihn zu verbreiten, aber auch das hatte nicht angeschlagen.
Sie bog um die Ecke, weil sie ihm in die Augen sehen wollte. Knox saß mit einem führenden Autor des Scotsman dort, einem ehemaligen Akademiker und entschiedenen Befürworter der Regionalisierung. Knox riss die Augen auf, als sie ihn ihrerseits anstarrte. Er war froh, dass sie ihn bemerkt hatte, und sah, dass er Verbindungen zu wichtigen Leuten pflegte.
Sie nickte ihm zu. »Knox.«
»Meehan«, sagte er, aber Paddy hatte sich schon umgedreht und stieg die Treppe hinauf. Sie hörte, wie der führende Autor Knox darüber ausquetschte, woher er Paddy Meehan kannte.
Das Restaurant war leerer als die Bar, aber noch verrauchter. Ein Paar, das nichts mit der Presse zu tun hatte, war zum Essen gekommen und die beiden konnten die Augen nicht voneinander lassen. Vor dem Vorhang, hinter dem es zu den Büros oben ging, saßen vier Rottweiler in Anzügen an einem Tisch. Es handelte sich um Reporter des Scottish Standard, auch SS genannt. Weiter hinten rauchten drei Kumpels von der Daily Mail und beugten sich gierig über ihr Essen, nachdem sie den ganzen Tag nur getrunken hatten. Es war ruhig, aber es waren genug Leute da, die sie gesehen hatten und es weitererzählen würden. Sobald Keck mitbekam, dass sie sich mit George McVie traf, war die Geschichte bereits so gut wie bei der Daily News angekommen.
Eine zierliche junge Kellnerin sah sie am verlassenen Empfang stehen und ging zu ihr hinüber, rollte die Füße wie eine Tänzerin über die Zehen ab. Die Reporter vom Standard lachten laut hinter ihr her, und sie zuckte zusammen. Neues Mädchen, nahm Paddy an, erste Schicht. Ihr stand ein harter Abend bevor. Sie führte Paddy an einen Tisch am Fenster für zwei Personen und brachte ihr ein Glas Wasser.
Der Standard -Tisch kam langsam in Fahrt, die
Weitere Kostenlose Bücher