Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
dass seine Leiche auf der Straße nach Stranraer gefunden wurde.«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Die Fähre nach Belfast legt in Stranraer ab. Jeder, der regelmäßig nach Irland reist, kennt sie, kennt alle Abzweigungen, weiß, wo viel los ist und wo’s ruhig bleibt. Das lässt darauf schließen, dass es ein Ire war, der ihn getötet hat.«
»Na ja, ich hab gehört, dass es ein Überfall war.«
»Raubmord?«
»Ja.«
»Hat ihm was gefehlt?«
»Seine Klamotten und seine Brieftasche wurden nie gefunden.«
Sie sah ihn an. »Ein bisschen zu gründlich für einen Überfall. Der Kerl konnte sich eine Schusswaffe und einen Wagen leisten; da wird er kaum jemanden umbringen, um an dessen Hosen zu kommen.«
Sie wusste, dass ihr McVie Informationen entlocken wollte: Die anderen Zeitungen wollten die Daily News und deren Provo-Thesen widerlegen, weil sie ihnen mit der Schlagzeile den Rang abgelaufen hatte.
»Dein Kontaktmann ist nicht zufällig Knox, oder?«, fragte sie.
»Himmel, fang bloß nicht wieder mit der Scheiße an.«
»Er ist korrupt.«
»Ist mir scheißegal. Außer dir ist das allen scheißegal.«
Er drückte seine halb gerauchte Zigarette stümperhaft aus, jagte die dunkelrote Glut durch den gesamten Aschenbecher. »Terry hatte seine Finger in allerhand Sachen. Wenn er losgelegt hat, hat er sich nicht um die Gefahren gekümmert, aber ich glaube, das hat ihm auch gefallen.«
»Ja, vermutlich. Wer will schon Kriegsberichterstatter werden?«
»Ja, genau. Ehrgeizige junge Männer, die es nicht besser wissen, und alte Männer mit Todessehnsucht.«
Dem Journalisten von der Mail war der Song wieder eingefallen und nun gab er alles. Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen und jetzt verhunzte er »Heart of Gold« von Neil Young. In seinem Kopf klang es wahrscheinlich besser.
»Gut, Meehan, komm schon: Callum Ogilvy. Wann kommt er raus?«
»Wer weiß das schon?«
Er sah sie an, irgendwo in seinen Augen war ein Lächeln versteckt. »Du weißt es«, sagte er ruhig.
»Nein, tu ich nicht.«
Die Kellnerin brachte ihnen etwas Brot und einzeln verpackte Butter, direkt aus der Tiefkühltruhe.
»Doch tust du wohl.«
»George, ich weiß nicht, wann er rauskommt, ehrlich.«
»Schwör beim Leben deines Kindes.«
Sie grinste ihn an. Er wusste, dass sie log, jeder wusste, dass sie in Bezug auf Callum Ogilvy log, aber McVie durchschaute sie besser als die meisten.
»Wie geht’s dir so, George?«
Er gab erneut einen Zischlaut von sich wegen des fadenscheinigen Ablenkungsmanövers und nahm eine weitere Zigarette. Sie versuchte es noch einmal. »Wie geht’s dem netten jungen Mann, mit dem du zusammen bist?«
Er zog eine Schnute, zündete die Zigarette an und blies dichten Rauch über den Tisch, der wie Morgennebel auf einem See über ihrer Platzdecke waberte.
»Meehan, unsere Leute haben Zelte vor dem Gefängnis aufgeschlagen. Wir können ewig warten. Richte Callum Ogilvy Folgendes aus: Wir zahlen ein Spitzenhonorar für ein Exklusiv-Interview. Mit Bildern. Irgendjemand wird ihn sowieso kriegen, da kann er genauso gut ein paar Pfund für sich rausschlagen. Startkapital für sein neues Leben.«
»Johnny Mac von der Times hat ihm fünfzigtausend geboten und er will trotzdem nicht.«
»Es sei denn, du behältst es selbst, exklusiv auf die billige Tour, Familienbeziehung und so.« Er warf ihr einen verstohlenen Blick zu. Callum und Sean Ogilvy gehörten nicht zu ihrer Familie. Die Menschen vergaßen, dass sie mit Sean nur verlobt gewesen und Callum nicht ihr Cousin war. Manchmal vergaß sie es selbst.
»George, was hält dein Freund davon, dass du in deiner Zeitung schwule Männer outest?«
McVies Gesichtszüge spannten sich an. »Dieser Richter hat heroinsüchtige Stricher aufgegabelt und in seinem Wagen gefickt.«
»Trotzdem«, sie trank von ihrem Mineralwasser, »das war eine ziemliche Schwulenhatz.« Er entschuldigte sich mit einem Wink seiner Zigarette. »Verkauft sich gut. So läuft das nun mal in unserer Branche.«
Die Typen vom Standard kicherten über die Kellnerin, die versuchte die Teller von ihrem Tisch abzuräumen. »Hast du keine Angst, dass dich die Ärsche da drüben eines Tages ebenfalls outen?«
»Nein«, sagte McVie, aber er wirkte besorgt.
McVie hatte vor sieben Jahren seine Frau verlassen und sich zunächst nur branchenintern und nach und nach zu seiner Homosexualität bekannt. Aufgrund ungeschriebener Verhaltensregeln wurden seine sexuellen Präferenzen in
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