Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
zu meinem Dad, der gibt mir was«, rief er zurück.
IV
George Burns klopfte wie ein schlecht gelaunter, übereifriger Gerichtsvollzieher an die Tür. Als Paddy öffnete, hielt er sich mit keinem Hallo auf, sondern fegte sofort in den Flur, schüttelte den Kopf wegen der Kisten, die immer noch auf dem Boden standen, und sah sich nach Pete um.
»Hi, Sandra.« Paddy zog die Tür weiter auf und lud seine Frau Sandra ein, in die Wohnung zu treten.
Sandra war blond, groß und so dünn, dass sie mit dem Kinn Briefe hätte öffnen können. Ihr tägliches Körperpflegeprogramm hatte schon fast etwas Manisches und erinnerte Paddy an unglückliche Zootiere, die immer wieder über dieselbe Stelle leckten, bis sie kahl war.
»Paddy.« Sandra knickte leicht mit den Knien ein, machte sich kleiner, ein entschuldigendes Lächeln zuckte um ihre lippenstiftroten Mundwinkel.
»Komm rein.« Paddy fasste sie herzlich am Ellbogen und zog sie in die Wohnung. »Hattet ihr ein schönes Wochenende in Paris?«
Sandras Augen jagten über den Boden. »Schön, ja. Gutes Wetter. Tolles Hotelzimmer …« Sie hielt abrupt inne, presste die Lippen aufeinander, als würden die Worte dahinter um Freilassung kämpfen. Paddy konnte sich vorstellen, welche Worte das waren: Er ist stocksauer, ich will hier raus, ich habe ständig Hunger.
Paddy bedauerte, ausgerechnet mit Burns ein Kind zu haben. Mit ihm zu verhandeln war eine Katastrophe, und er war auch kein besonders warmherziger Vater. Sie hatte sich alle Möglichkeiten ofenhalten und die Vaterfrage im Dunkeln lassen wollen, doch Pete war als perfektes Abbild seines Vaters auf die Welt gekommen: dichtes schwarzes Haar, große grüne Augen und das verräterische Grübchen im Kinn. Und dann war Burns während der Besuchszeiten aufgetaucht. Als Pete mit Lungenentzündung im Krankenhaus lag, war Burns einmal pro Woche vorbeigekommen und hatte dem Vierjährigen Blumensträuße gebracht.
»Wo ist er?« Burns war jetzt bereits kurz angebunden und ungeduldig, wieder wegzukommen. Normalerweise hob er sich das auf, bis er Pete zurückbrachte.
»Er holt seinen neuen Transformer.« Paddy sprach langsam, beruhigend. »Er will ihn dir zeigen.«
»Ist Dub da?«
»Nein, hab ihn heute noch nicht gesehen.«
»Sag ihm, dass ich nach ihm gefragt habe.«
Pete tauchte in der Tür zu seinem Zimmer auf und guckte misstrauisch, weil er die seltsame Atmosphäre zwischen den Erwachsenen spürte. Stumm streckte er ihnen den blau-roten Plastikroboter entgegen.
»Zeig deinem Dad aber auch, was er kann.«
Ohne ein Wort zu sagen, zog Pete am Kopf des Roboters klappte die Beine um und hielt den so entstandenen Laster zur Ansicht hoch. Im Flur war es ganz still geworden.
»Wow«, Paddy versuchte Sandra und Burns zum Mitstaunen zu bewegen, »das ist ja toll!«
Keiner von beiden sagte etwas. Sandra verlagerte nervös ihr Gewicht.
»Ist das nicht toll?«, fragte Paddy Burns mit einer vagen Drohung in der Stimme.
Sandra sah wieder zu Boden und Burns lächelte Paddy flüchtig an. »Toll, ja. Ein echter Meilenstein in der Spielwarenentwicklung.«
Paddy hätte ihn schlagen können. »Wir haben neulich deine Show gesehen.« Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Sandra nervös den Kopf in den Nacken warf. »Das war auch ein Meilenstein.«
Die Wirkung ließ nicht auf sich warten. Burns fuhr Pete an: »Wo ist dein Mantel?« Pete rannte wieder in sein Zimmer und kam mit seiner blauweißen Kapuzenjacke zurück. »Das kannst du nicht anziehen, wir gehen mit einem Fernsehproduzenten essen. Wir gehen in ein schönes Restaurant. Da musst du dich ein bisschen schick anziehen.«
Das war zu viel für Pete. Seine Mundwinkel rutschten nach unten und er fing an zu stammeln. »Ich will nicht …«
Paddy machte schnell einen Schritt auf ihn zu, war froh, ihn halten zu dürfen. »Ach, mein Kleiner.«
Burns seufzte hinter ihr: »Verdammt nochmal, du sollst ihn nicht so bemuttern. Er muss lernen, dass man sich manchmal eben schick machen muss. Das ist doch kein großes Ding.«
Aber Paddy hielt ihren Jungen in den Armen, die Finger in seinem Haar, und er klammerte sich fest an sie. »Lass mich mal raten, ich glaube nicht, dass Pete weint, weil du möchtest, dass er eine andere Jacke anzieht. Es liegt daran, wie du’s sagst. Hab ich recht, mein Süßer?« Sie zog Petes feuchtes Gesicht von ihrem Hals und brachte ihn dazu, sie anzusehen. »Hab ich recht?«
Pete nickte traurig.
»Du behandelst ihn wie ein Baby«, meckerte Burns.
»Er
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