Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
Vom Netzwerk:
Es genügte nicht, Teil einer Familie zu sein. Er hatte vorher schon eine Familie gehabt und man bekam schließlich nichts geschenkt. Er jedenfalls nicht. Kinder im Märchen vielleicht, aber er nicht, er nicht.
    Ich möchte bei einer liebevollen Familie leben.
    Jetzt hatte er doch geschrien. Trockene Sandwichkrümel verteilten sich auf seinen Knien.
    Die Frau drehte sich zu Callum um und sah, dass er weinte, Reste der roten Limonade im Mundwinkel. Erschrocken sah sie Sean an.
    ICH TRÄUME DAVON, IN EINER FABRIK ZU ARBEITEN.
    Seine laute Stimme hallte durch das Wageninnere.
    Sean sah ihn nicht an. Er verlangsamte die Fahrt, fuhr behutsam an den Straßenrand und zog die Handbremse.
    Er würde Callum an die Luft setzen, ihn rausschmeißen und dort stehenlassen, weil er im Auto geschrien hatte. Und wer wollte ihm Vorwürfe machen.
    Er würde fern der schützenden Mauern im kalten Wind erfrieren, er würde sich kaum bewegen können und einfach dort warten müssen und sterben. Das Herz hämmerte in seiner Brust. Er spürte seinen Puls bis in die Wangen, die Nase und die Augen.
    Die Frau sah ihn nicht mehr an. Sie hatte ihre Hand wieder an den Mund gelegt und sich von ihm abgewandt, sah aus dem Wagenfenster dorthin, wo sie ihn aussetzen wollten.
    Sean löste seinen Gurt und drehte sich um, nahm Callums Hand in seine und streichelte sie mit der anderen. »Kleiner«, sagte er, als Callum nach Luft rang. »Wir fahren nach Hause, ins Warme. Zusammen. Sieh mich an.«
    Callum zwang sich seinen Blick vom Nacken der Frau zu lösen und Sean ins Gesicht zu sehen. Er nickte langsam, als wollte er, dass Callum ebenfalls nickte. »Okay? Alles okay?«
    Callum nickte. Sean streichelte ihm wieder die Hand. »Es ist ganz natürlich, dass du Angst hast, okay? Vollkommen normal.« Er ließ seine Hand los und drehte sich um, zog seinen Gurt wieder fest und ließ erneut den Wagen an, blickte in den Außenspiegel, um zu sehen, ob ein anderes Auto kam, und lenkte den Wagen zurück auf die Fahrbahn.
    Sie fuhren nach Hause. Ins Warme.
    Eine Journalistin. Die Frau hatte ihre dunklen Haare oben auf dem Kopf zusammengebunden und die weiche Haut in ihrem Nacken war zu sehen. Die Nacken der Häftlinge, die er im Gefängnis gesehen hatte, wenn sie einer hinter dem anderen zur Arbeit oder in die Kantine geführt wurden, waren ledrig oder picklig gewesen. An den Ohren der Frau hingen goldene Kettchen, sie schaukelten beim Fahren, berührten aber nie ihren Hals.
    Erschöpft lehnte sich Callum auf dem Sitz zurück, verlangsamte seine Atmung und rief sich das Einzige ins Bewusstsein, was wirklich sicher war: Angebranntes riecht immer gleich.

10
Bunty und sein Schoßäffchen

I
    Sean hielt unter der Eisenbahnbrücke am Glasgow Cross. »Reicht dir das?«, flüsterte er.
    Paddy drehte sich zu Callum um, der auf dem Rücksitz schlief. Er schien während der Fahrt gewachsen zu sein, belegte jetzt den Großteil des Rücksitzes, da seine Hände seitlich auf den Sitz gefallen waren und er eine entspannte, breitbeinige Sitzhaltung eingenommen hatte. Obwohl er schlief, saß er gerade, wie ein Bär schien er immer auf einen möglichen Angriff gefasst.
    Sean flüsterte und nickte zur Tür. »Näher ran kann ich dich nicht bringen, sonst sehen sie uns vielleicht.«
    Paddy sah von Callum zu Sean. Sie wollte ihn nicht wecken, verzog deshalb das Gesicht, um ihr Entsetzen zu signalisieren. »Woher weiß er von Pete?«
    »Ich hab’s wohl mal erwähnt.«
    Sie zischte ihn an: »Ich will nicht, dass er von Pete weiß. Ich will nicht, dass er irgendetwas über ihn erfährt, verstanden?«
    Sean sagte nichts, neigte nur mit vor Enttäuschung wässrigen Augen den Kopf.
    »Pete ist dein Sohn. Er ist fünf.«
    Beide drehten sich abrupt zu dem Bären auf dem Rücksitz um. Callum hatte sich nicht bewegt, hatte weder gezuckt noch sich gestreckt noch sonst etwas getan, was normale Menschen tun, wenn sie aufwachen. Er hatte die Augen geöffnet, sodass das Weiße darin zum Vorschein kam, und nun starrte er sie an wie eine vorwurfsvolle Leiche.
    Sie nickte und starrte atemlos zurück, fragte sich, ob er überhaupt geschlafen hatte. »Ja.«
    Er ballte die Fäuste und entspannte die Hände wieder. »Wieso wollen Sie nicht, dass ich etwas über ihn erfahre?«
    Sean beobachtete sie. Es gab nichts, das er hätte tun können, um ihr diese Situation zu ersparen, und Paddy spürte, dass er es wahrscheinlich sowieso nicht getan hätte.
    »Ich, äh, mein Sohn …«
    »Pete«, erinnerte Callum

Weitere Kostenlose Bücher