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Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Der letzte Wille: Thriller (German Edition)

Titel: Der letzte Wille: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Mina
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man suchte etwas, oder hätte jemandes Adresse aus dem Telefonbuch abgeschrieben und wäre absichtlich hierhergekommen.
    Die fette Schnalle wohnte zwei Treppen hoch, im obersten Stockwerk. Keine Sicherheitsvorkehrungen an der Tür unten. Ein großer Torbogen, der einst für Kutschen gedacht war und auf einen verlassenen Hinterhof mit überwucherten Gärten und eingefallenen Mäuerchen führte, trennte ihn vom Gehweg. Nachts würde es hier sehr dunkel werden.

III
    Das Nordufer des Clyde war ein gottverlassener Ort. Paddy hatte es in düsteren Momenten des Selbstmitleids und der Verzweiflung hierherverschlagen. Es war dreckig, voller Insekten und mit rissigem und fleckigem Beton gepflastert, graue Wassermassen rauschten vorbei. Viele Sitzgelegenheiten gab es nicht.
    Kahles Buschwerk trennte sie von der geschäftigen Straße, leere goldfarbene Bierdosen lagen zu ihren Füßen. Die Sonne, die warmen Tage und die milde Luft hatten allerdings ein paar vereinzelte Büroangestellte in ihrer Mittagspause hierhergelockt.
    Sie saßen auf der Kante eines Blumenkübels aus Beton und Aoife bot ihr die Hälfte ihres Mittagessens an, ein großes Baguette mit einem Berg Eiern und Mayonnaise belegt. Einer aus dem Büro ziehe immer mit den Bestellungen los, erklärte sie. Es sei das einzige mit Ei gewesen, das es noch gegeben habe.
    »Wieso machen die überhaupt so dicke Sandwiches?« Sie betrachtete es irritiert. »Davon könnte ein Bus voller Touristen satt werden.«
    »Genau«, erwiderte Paddy verlegen. Sie hatte einmal ein ganzes davon verdrückt und hinterher sogar noch Kekse nachgeschoben. »Wieso haben Sie gesagt, die Sache mit Kevin sei seltsam?«
    Aoife biss von ihrem Brot ab und kaute es in einer Ecke ihres Munds.
    »Eine Line legt man zum Schnupfen, zum Inhalieren. Wenn man Kokain erbricht, bedeutet das, dass man es geschluckt hat. Niemand macht beides gleichzeitig.«
    »Gibt es denn Leute, die es schlucken?«
    »Manchmal. In Zigarettenblättchen einwickeln und dann schlucken, ist genauso effektiv, dauert aber länger und man kann es weniger gut dosieren. Aber beides gleichzeitig wäre wie russisches Roulette. Es ist sowieso schon schwer genug, die richtige Balance zu finden, auch wenn man bei einer Methode bleibt.«
    Paddy kaute auf einem Mund voll cremiger Eierfüllung, freute sich über Aoifes Akzent, die harten nasalen ›r‹s und die kurzen Vokale. »Wie kann er aber verschwinden? Bedeutet das, er wurde erst gar nicht ins Krankenhaus gebracht? Seine Hand war verkrampft.« Sie ahmte Kevins Kralle nach. »Kann er sich auf dem Weg ins Krankenhaus erholt haben und zu seinen Eltern gefahren sein, oder so?«
    Aoife sah sie ausweichend an. »Das glaube ich kaum. Vielleicht hat er’s aber gar nicht bis ins Krankenhaus geschafft. Vielleicht ist er … Sie wissen schon … verstorben.« Aoife sprach mit gesenkter Stimme weiter. »Die trauen mir nicht.«
    Paddy sah sie an. »Wer?«
    »Die da oben. Graham Wilson, den ich vertrete, hat gesessen, er war einer von ihnen, ihm konnten sie vertrauen. Vielleicht ist Ihr Freund deshalb verschwunden: Sie wussten, dass ich Spuren in seinen Nasenlöchern und seinem Magen finden und es weitersagen würde.«
    »Aber wem?«
    Die grelle Sonne glitzerte auf dem Wasser und zwei Geschäftsleute gingen vorbei, kicherten und schlenkerten mit den Aktentaschen.
    »Wollen wir den Jungs da drüben hinterherpfeifen?«, fragte Aoife, deren Laune sich mit dem Themenwechsel schlagartig besserte.
    »Ja, los«, forderte Paddy sie auf.
    Aoife drehte sich zu ihnen um und rief leise »Hey, Jungs!« und pfiff.
    Sie lachten sich an, beobachteten die Männer, die sich langsam am Uferrand entfernten.
    »Gott, das war vielleicht ein Vormittag«, sagte Paddy und erzählte Aoife von Collins, der zu ihr nach Hause gekommen war und dem Mann, der die Schule ihres Sohnes beobachtet hatte.
    »Der Typ ist Nordire, sagen Sie?«
    »Ich hab ein Foto von ihm.« Sie öffnete ihre Tasche und nahm die Fotokopien heraus. »Vielleicht kennen Sie ihn.«
    »Ja, wahrscheinlich ist es mein Vetter oder so, Sie wissen ja, Irland ist nur drei Meter breit.« Aoife betrachtete die Vergrößerung von Collins und lächelte. »Sie machen sich lustig.«
    Paddy war verdutzt. »Mach ich das?«
    Sie sahen einander fragend an.
    »Den kennen Sie doch«, behauptete Aoife.
    »Kenn ich den?«
    »Kennen Sie ihn wirklich nicht?«
    Paddy schüttelte den Kopf.
    »Der ist so bekannt wie Sie selbst.« Sie merkte, dass Paddy keine Ahnung hatte, wovon sie

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