Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
und der Polizei. Er stimmte ihr zu: Kevin Hatcher hätte auf keinen Fall klammheimlich Drogen genommen und gleichzeitig ein relativ normales Leben geführt. Aber vielleicht war es sein erster Versuch gewesen? Dub hatte von Leuten gehört, die gestorben waren, als sie das erste Mal Ecstasy probiert hatten, und vielleicht war dasselbe auch bei Koks möglich. Sie dachten beide darüber nach und fanden, dass Aoife recht hatte: Niemand nahm Koks, indem er es gleichzeitig schluckte und schnupfte.
Paddy war müde, machte sich Sorgen um Mary Ann und hatte Angst um Kevin: Am frühen Abend hatte sie noch einmal überall in den Notaufnahmen der Stadt angerufen, zu einer Zeit, in der die Leute von der Nachtschicht am Empfang saßen, die sie kannte. Aber noch immer keine Spur von ihm.
Dub wusste, was sie aufmuntern würde: Er legte eine alte Videokassette mit Tanz der Teufel II ein. Sie kannten den Film in- und auswendig, hatten ihn hundertmal gesehen und sämtliche Witze auswendig drauf, aber er hatte trotzdem etwas Tröstendes.
Bruce Campbell hatte sich bereits das halbe Handgelenk durchsägt, als ihr plötzlich Fitzpatrick wieder einfiel.
»Ich habe ein Haus geerbt«, sagte sie und erzählte Dub von der Mappe, auf der ihr Name stand. Er lachte sie aus.
»Das ist absurd, er kann nicht von dir verlangen, dass du dich zwischen einer Mappe und einem Haus entscheidest. Das ist ein Testament und kein Ratequiz. Geh noch mal hin und frag ihn, was der Scheiß soll. Oder noch besser, besorg dir einen Anwalt, der sich drum kümmert.«
Paddy nickte und widmete sich wieder dem Film. Eine Frau mit einer sehr schlecht gemachten Maske bedrohte den Helden. Dub streckte sich noch weiter auf dem Sofa aus, sein Fuß berührte ihr Bein. Er zuckte zurück, wich dem knisternden Kontakt aus, bis sie ihn anlächelte, seine Zehen mit den Fingern umfasste und seinen Fuß auf ihren Schoß zog und festhielt.
Lächelnd sahen sie zu, wie Untote die Menschenwelt eroberten.
20
Rattenschuhe
I
Paddy stand einen Augenblick an der Tür, hielt die Umschläge aus dem Ausschnittarchiv fest umklammert. Der Redaktionsraum war leer. Alle standen oder saßen eingepfercht in Buntys Büro bei der Redaktionskonferenz. Verwaltungsangestellte und sonstige Mitarbeiter wuselten herum und obwohl er seine Schicht vor fast zwei Stunden beendet hatte, war auch Merki noch da, stolzierte selbstzufrieden herum, bot den anderen Zigaretten an und buhlte um Lob für seinen Artikel vom Vortag.
Genau in diesem Moment ging Buntys Tür auf und die Konferenzteilnehmer strömten in den Redaktionsraum zurück, Redakteure und Stellvertreter verteilten sich an den Schreibtischen, freie Journalisten gingen zielstrebig zur Tür oder den Telefonen, um sich der Artikel anzunehmen, die ihnen zugewiesen worden waren.
Merki trabte an einen Schreibtisch und verteidigte seinen Platz an der Tastatur, ein Notizbuch lehnte am Bildschirm, Kippenpäckchen und Feuerzeug lagen davor, er war immer bereit, eine Story herauszuhauen. Sie ging zu ihm, stellte sich neben ihn. Sie war einen ganzen Kopf größer als er, dabei war sie gar nicht besonders groß.
»Merki, woher hast du die Geschichte, das mit der Tatwaffe?«
Ohne sich zu ihr umzudrehen, kratzte er sich am Hals. »Das würdest du wohl gerne wissen, was?«
»Ja, weil das keine andere Zeitung gebracht oder aufgegriffen hat, und so was macht mich stutzig, weißt du, eine einzige Quelle, die nur dir bekannt ist. Wenn jemand die Angaben hätte bestätigen können, dann hätten es die anderen auch gebracht. Hast du deine Informationen überhaupt überprüft?«
Merki grinste. »Du bist ja nur neidisch auf mich und meinen Erfolg.«
Sie standen beieinander und lachten. Merki hatte Witz: Sein Gesicht war voller Falten, völlig verhärmt, er musste nachts arbeiten, und sie verdiente mit nur achthundert Wörtern die Woche viermal so viel wie er.
Über Merkis linke Schulter hinweg entdeckte Paddy das Schoßäffchen, das eine finstere Miene aufsetzte, als es sie sah. Es winkte sie an Buntys Tür heran und sie trat einen Schritt zurück, hielt einen Finger hoch, sah das Schoßäffchen dabei an und nahm einen Telefonhörer ab, wählte die 9, um die Leitung freizuschalten, und dann die Nummer der Auskunft. Sie bedeckte ihren Mund, damit Merki nicht hörte, dass sie um die Nummer der Scotia Press bat. Die Nummer verriet, dass sich die Redaktion mitten im West End befand.
Die Frau meldete sich, als hätte sie Paddys Anruf erwartet. »Ja?«
Ȁh, hallo,
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