Der letzte Wille: Thriller (German Edition)
etwas.
»Wie geht es Kevin? Haben Sie seine Prellungen untersucht?«
Garrett verlagerte ihr Gewicht auf den anderen Fuß.
»Ich hab mich gefragt, wieso er sich eine Line legt, wenn er das Koks doch geschluckt hat? Und außerdem fehlten Gegenstände in der Wohnung, Kisten mit Negativen. Haben Ihnen die beiden das schon erzählt?«
Die Tür öffnete sich und gab den Blick auf einen langen, menschenleeren Gang frei. Einzelne Büros gingen davon ab und ganz hinten bohnerte ein Mann in einem blauen Overall mit Hilfe einer summenden Maschine den grünen Linoleumboden. In dem Gang war es sehr still.
Als Garrett sie ans andere Ende führte, konnte Paddy sehen, dass sämtliche Büros leer waren. Durch die Fenster zum Gang sah man in düstere Räume hinein und direkt auf die äußere Fensterreihe zur Straße. Sie gingen an der Reinigungskraft vorbei, stiegen über das Netzkabel der Bohnermaschine und betraten ein ungenutztes Büro. Die Regale waren leer, ebenso der Schreibtisch. Irgendwann musste mal jemand hier gearbeitet haben. Blass zeichneten sich rechteckige Flächen an den Wänden ab, wo einst Plakate und Tabellen gehangen hatten. Es roch staubig.
Garrett wies Paddy an, sich zu setzen, stellte sich hinter sie und schloss beide Jalousien zum Gang hin, womit sich das ohnehin schon unheimliche Büro weiter verdüsterte. Dann setzte sie sich an den Schreibtisch ihr gegenüber, ließ die beiden Beamten an der Tür stehen und zuckte alle zehn Sekunden mit den Augen.
Draußen im Flur stieß die Bohnermaschine sanft gegen eine Fußleiste, das Summen wurde einen Takt lang unterbrochen und setzte anschließend seine Reise über den Boden fort.
Paddy war früher schon von der Polizei befragt worden, aber das hier kam ihr nicht wie eine Vernehmung vor. Eher wirkte es wie ein Hinterhalt.
»Verzeihung« – der Holzstuhl knarrte unter ihr, als sie sich vorbeugte – »wer sind Sie nochmal?«
»DI Garrett.«
»Und Sie sind Polizistin?«
»Polizeibeamtin.«
»Aber Polizistin sind Sie doch trotzdem, oder? Tut mir leid. Ich dachte der Rock, wissen Sie …« Garrett blinzelte weiter. »Ihnen ist also ›Beamtin‹ lieber?«
»Das ist die übliche Bezeichnung.«
»Aber welche ist Ihnen lieber?«
»Die übliche.« Keinerlei Gefühlsregung seitens Garrett. Es war, als würde man sich mit einem Kühlschrank unterhalten. In der Personalabteilung käme bestimmt niemand auf die Idee, Garrett bei der Familienfürsorge einzusetzen.
»Hm«, Paddy lehnte sich zurück. »Ein leeres Büro, abseits von allem und dann müssen wir warten. Wir warten doch, oder? Wir warten auf jemanden. Auf jemanden, der mehr zu sagen hat als Sie.«
Garrett war nicht unattraktiv, aber sie hatte sich Mühe gegeben, so wenig wie möglich aus sich zu machen: Ihre Schulterpolster betonten ihre kantige Statur, der Rock passte nicht und die Frisur wirkte wie ein Helm, da konnten die blonden Strähnchen auch nichts mehr retten. Auf Make-up hatte sie gleich ganz verzichtet.
»Miss Meehan, weshalb waren Sie gestern Morgen in der Wohnung von Kevin Hatcher?«
Paddy sagte die Wahrheit, war sich darüber bewusst, dass das stickige Büro vom Rest des Reviers völlig isoliert war; draußen im Gang kam niemand vorbei und auch das Klingeln des Aufzugs war hier hinten nicht mehr zu hören.
Garrett stellte sinnlose Fragen, deren Antworten sie bereits kannte. Sie wollte mehr über den Iren wissen, von dem Paddy behauptete, er sei bei ihr zu Hause aufgetaucht, und sie ließ sich den Mann beschreiben, der gestern vor der Schule ihres Sohnes aufgetaucht war. Sie schien Paddy keine Informationen entlocken, sondern sie ablenken zu wollen.
Dazu aufgefordert wiederholte Paddy alle Einzelheiten über ihren Besuch bei Kevin am Sonntagabend und wie sie ihn später gefunden hatte, wurde aber unterbrochen, sobald sie den Libanon oder die IRA erwähnte. Offenbar wollte Garrett nicht über das fehlende Foto aus der Mappe sprechen, weshalb Paddy zunächst darauf drängte, dann die Fragen aber nur noch beiläufig beantwortete und das Thema auf den Iren lenkte und genau beobachtete, wie Garrett reagierte, als sie seinen Namen erwähnte. McBree. Der Name bewirkte, dass sie mit ihrem Augenzucken vorübergehend aus dem Takt geriet. »Gestern Morgen gingen Sie also davon aus, dass Kevin Hatcher …«
»Würde ein Polizeibeamter ein Celtic-Trikot tragen?«, unterbrach Paddy sie.
»Beantworten Sie einfach nur meine Frage …«
»McBree ist ein wichtiger Mann in der IRA, steht in der
Weitere Kostenlose Bücher